Wo der Daumen rechts ist

Das Bündnis von WASG und PDS gerät schon wieder in schlechte Gesellschaft: Jetzt will die NPDdas Linksbündnis unterwandern. Da stellt sich doch die Frage: Was ist rechts an der Linkspartei?

VON ROBIN ALEXANDER

manche meinen

lechts und rinks

kann man nicht

velwechsern.

werch ein illtum!

Ernst Jandl

Eine neue Linkspartei entsteht in Deutschland. Wie sie organisiert wird, was sie will, ja selbst wie sie heißen wird, ist noch nicht abschließend entschieden. Linke Intellektuelle und Journalisten, die wie ausgehungert auf eine Alternative zu Rot-Grün warten, umarmen die Partei schon jetzt. Doch nicht nur von links kommt die Umarmung: „Mit der WASG sind einer nationalen Oppositionsarbeit weitere Tore geöffnet worden“, schreibt der NPD-Funktionär Thomas Wulff in einem Aufruf. Der Vertraute von NPD-Chef Udo Voigt schließt sein Pamphlet gar mit einer Eintrittsaufforderung an die Kameraden: „Geht jetzt noch stärker rein in die WASG-Gruppen. Ihr werdet merken, viele von denen denken so wie wir.“

Damit gerät die Linkspartei medial bereits zum zweiten Mal in schlechte, weil rechte Gesellschaft: Vor einer Woche forderte ihr designierter Spitzenkandidat Oskar Lafontaine auf einer Kundgebung in Sachsen, der Staat müsse künftig verhindern „dass Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“.

Gierig stürzten sich vor allem Politiker von SPD und Grünen auf dieses Zitat. Ihre Motivation ist durchsichtig. Doch auch für Beobachter, die der neuen politischen Konkurrenz nicht übel wollen, stellt sich die Frage: Was ist rechts an der Linkspartei?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich ist Rot nicht gleich Braun. Gegner eines schrankenlosen internationalen Freihandels, sind noch lange keine Nationalisten. Und ein „nationaler Sozialist“ wie die NPD-Knallcharge Wulff kann heute zum Beitritt zur WASG, morgen zum Bündnis mit Attac und übermorgen zum taz-Abonnement aufrufen, ohne dass ihn jemand daran hindern könnte. Die Spitzen und Mitglieder der WASG haben – soweit man sie kennt – mit Rechtsextremismus nichts am Hut. Ihr Programm ist weder ausländerfeindlich noch revanchistisch. Das Gleiche gilt für ihren ostdeutschen Fusionspartner PDS. Ist die Frage, was rechts an der neuen Linkspartei sein wird, damit also abschließend beantwortet? Leider nicht.

Die neue Linkspartei muss, wie die gesamte Antiglobalierungslinke besonders aufpassen, dass sie nicht unfreiwillig das Feld bereitet für Rechte und Rechtsextreme. Diese Gefahr besteht durchaus. Und sie liegt im Ansatz der Linkspartei. Diese will ja den Staat wieder gegenüber der Wirtschaft ins Recht setzten. Problematisch daran ist, dass Erwartungen an den Staat aufgebaut werden, die in einer offenen Gesellschaft nicht – oder nicht mehr – erfüllbar sind.

Bei aller Kritik an Steuergeschenken für Konzerne und der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik: Die Suggestion, man könne aus dem Parlament oder dem Kanzleramt das Kapital wie früher an Standorte binden, ist fatal. Denn sie schafft Erwartungen, die nur in staatlichen Ersatzhandlungen abreagiert werden können. Nehmen wir ein Beispiel aus der etablierten Politik. Die unselige Heuschrecken-Kampagne des SPD-Parteivorsitzenden: Auch diese musste ihren Höhepunkt in echter, staatlicher Handlung finden. Doch den angefeindeten Hedgefonds kommt auch ein Franz Müntefering nicht bei: Also wurde knapp vor der NRW-Wahl eine große Razzia gegen illegal beschäftige Osteuropäer in Schlachthöfen veranstaltet und das Entsendegesetz ausgeweitet.

Als Konzernkritiker gesprungen, als Anti-Fremdarbeiter-Hetzer gelandet: Oskar Lafontaine ist verbal jetzt schon so weit wie eine verzweifelte SPD nach sieben Jahren erfolglosem Regieren unter den Bedingungen der Globalisierung. Denn das ist ja die Crux: Auch für den kämpferischsten Linken ist das Kapital, das zu den billigen Löhnen wandert, nicht zu packen. Der Ausländer, der zu den teuren Löhnen wandert, schon.

Kaum glaubhaft, dass Lafontaine diese Rede zufällig in der NPD-Hochburg Sachsen gehalten hat. In Ostdeutschland, wo der deutsche Sozialstaat sechzig Jahre lang von zwei Diktaturen ausgebaut wurde, messen noch mehr Menschen als im Westen den Erfolg von Demokratie allein daran, welches Niveau an Konsum und sozialer Sicherheit sie bereitstellen kann. Die PDS hat der Versuchung, in diese Kerbe zu schlagen, nicht immer widerstanden. Die neue Linkspartei kann hier gar nicht sensibel genug sein. Anfang der Neunziger Jahre haben Linke richtigerweise darauf hingewiesen, dass Rechtsextreme auf Stichworte aus der Gesellschaft angewiesen sind. Die neue Linkspartei muss aufpassen, diese nicht selbst zu liefern.