Die Sonne unter dem französischen Himmel

Erster internationaler Forschungsreaktor für Kernfusion – ein 10-Milliarden-Projekt – kommt nach Frankreich

Die Sonne wird in Südfrankreich nachgebaut. Nach jahrelangem Streit um den Standort des Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktors (Iter) einigten sich die beteiligten Projektpartner – die Europäische Union, Japan, Russland, die USA, China und Südkorea – gestern in Moskau darauf, dass die Anlage nahe dem südfranzösischen Ort Cadarache – nördlich von Marseille – gebaut werden soll. Damit gab Japan, das den Standort fast drei Jahre lang für sich reklamiert hatte, Frankreichs Drängen nach.

EU-Forschungskommissar Janez Potočnik sprach nach der Entscheidung von einem großen Schritt nach vorn für die internationale Zusammenarbeit in der Forschung. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac feierte „einen großen Erfolg für Frankreich, für Europa und für alle Partner im Iter-Projekt“. Die japanische Regierung erklärte ihr Bedauern über die Entscheidung, sagte aber zugleich ihr weiteres Engagement zu. Tokio wurde zugesichert, dass japanische Firmen bei Aufträgen für den Bau der Anlage zum Zuge kommen. Die EU will auch einen japanischen Kandidaten für das Amt des Iter-Generaldirektors unterstützen.

Der Iter-Reaktor soll in zehn Jahren fertig gestellt sein. Er ist nicht nur eines der kompliziertesten Technikvorhaben, die es jemals gab, sondern – neben der Internationalen Raumstation – auch eines der teuersten. Knapp 10 Milliarden Euro sind vorerst für den Bau der Anlage und die Forschung an ihr veranschlagt. Rund 4,6 Milliarden Euro sind Baukosten, eine ähnlich hohe Summe soll für die Forschung ausgegeben werden. Die Europäische Union übernimmt rund 40 Prozent der Baukosten.

Voraussichtlich Ende dieses Jahres soll mit dem Bau begonnen werden. Die Forschungszeit ist auf 20 bis 25 Jahre ausgelegt, am Ende soll der Reaktor eine Leistung von 500 Megawatt erbringen. KENO VERSECK

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