„Auf dem Heizölmarkt wird es Chaos geben“

Wer mit Öl heizt, sollte jetzt kaufen, meint Warenterminhändler Otto Wiesmann. Denn bis zum Herbst werde der Preis noch „explodieren“

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN

taz: Herr Wiesmann, der Ölpreis steigt auf Rekordhöhen – was empfehlen Sie den normalen Kunden?

Otto Wiesmann: Wer Heizöl benötigt, sollte sofort welches kaufen! Der Preis wird explodieren. Vor zwei Jahren lag er noch bei 28 bis 32 Cent pro Liter. Jetzt sind es 55 bis 56 Cent, und demnächst dürften es 65 bis 70 Cent sein. Im September wird es zum Chaos auf dem Heizölmarkt kommen.

So dramatisch?

Die Heizöltanks der Verbraucher sind fast leer. Jeder Heizölhändler wird es Ihnen bestätigen: Der Absatz war in den letzten Jahren sehr schlecht. Weil die Preise stiegen, haben die Kunden nur kleine Mengen gekauft, die gerade reichten, um sich über den Winter zu retten. Jeder hat darauf gehofft, dass die Preise wieder fallen. Stattdessen werden sie erst recht anziehen, weil jetzt alle Kunden ihre Heizöltanks gleichzeitig füllen.

Nicht alle teilen Ihren Pessimismus …

Aber ich bin mir ganz sicher. Sonst würde ich ja im Terminhandel nicht darauf spekulieren.

Im Auftrag Ihrer Kunden?

Die vertrauen mir und rechnen alle mit steigenden Ölpreisen.

Wieso setzten Sie alles auf eine Karte?

Nennen Sie mir einen Grund, warum die Ölpreise je wieder fallen sollten.

Was ist mit neuen Fördergebieten, zum Beispiel Ölschiefer und Ölsande, die bei den hohen Preisen jetzt plötzlich rentabel werden?

Die Erschließung dauert viel zu lang – und es muss auch viel zu viel Energie eingesetzt werden, um wieder Energie zu gewinnen. Vor allem aber sind die Vorräte endlich: 90 Prozent des Öls ist bereits gefunden worden – und über 50 Prozent wurde schon verbraucht.

Zweiter Optimismusversuch: Der hohe Ölpreis ist aktuell auch eine Spekulationsblase, weil es Börsenhändler wie Sie gibt, die an steigenden Kursen verdienen wollen.

Schön wär’s. Doch tatsächlich wird das Angebot knapp. Die Opec fördert schon jetzt fast an ihrer Kapazitätsgrenze. Gleichzeitig steigt die Nachfrage ständig. Nur eine einfache Rechnung: Pro Kopf verbrauchen die Asiaten momentan nur 8 Prozent der Menge Öl, die die US-Amerikaner brauchen. Dieser Anteil muss sich nur auf 16 Prozent verdoppeln – und schon bricht die Ölversorgung zusammen. Denn dann würden die Asiaten 40 Millionen Barrel pro Tag verbrauchen. Das ist mehr, als Russland und Saudi-Arabien überhaupt fördern.

Wie lautet also Ihre Prognose für die nächsten Monate?

Beim Rohölpreis werden wir schon spätestens in acht Wochen einen Barrelpreis von 65 Dollar erreichen. Ab etwa 2009 werden dann 100 Dollar normal sein. Wenn alles glatt läuft. Bei einer politischen Krise, etwa im Iran, kann der Barrelpreis jederzeit auch sofort auf 100 Dollar hochschießen.

Dagegen ist nichts zu machen?

Das Angebot lässt sich nicht mehr erhöhen. Wenn die Preise sinken sollen, muss die Nachfrage nachlassen.

Also letzter Tipp an die Heizölkunden: Friert ein bisschen im Winter?

Wir brauchen endlich eine Energiewende. Erdwärme, Windkraft, Grubengas – und vor allem Solarenergie. Die Sonnenenergie, die die Erde erreicht, ist vom Volumen her 15.000-mal größer als das verfügbare Öl.