Land of the Free?

Heute entscheidet US-Gericht, wo und wie lange zwei JournalistInnen in den Knast müssen, weil sie auf Zeugnisverweigerungsrecht beharren

VON STEFFEN GRIMBERG

Weil sie ihre Quellen in einer brisanten Geheimdienststory nicht nennen wollen, dürften die US-ReporterInnen Judith Miller und Matt Cooper heute endgültig zu bis zu 18 Monaten Haft verurteilt werden. Am Montag hatte sich der US Supreme Court, das oberste Gericht der USA, geweigert, den seit Monaten anhängigen Fall zu verhandeln. Sollten Miller, die für die New York Times arbeitet, und der Time-Journalist Cooper nicht doch noch einlenken, befindet heute der District Court in Washington über Ort und Beginn ihrer Haft.

Damit ist die Chance, durch einen Prozess am Obersten Gericht die erbittertste Auseinandersetzung zwischen Medien und US-Regierung seit Jahrzehnten zu klären und ein Zeugnisverweigerungsrecht nach europäischen Vorbild durchzusetzen, vorerst gescheitert. Spätestens seit dem 11. September 2001 hat die Bush-Administration den Druck auf die Medien, Recherchematerial, vertrauliche Informationen und Quellen preiszugeben, kontinuierlich erhöht.

Derzeit sind nach Angaben der Organisation Reporters Committee for Freedom of the Press (RCFP) über 20 JournalistInnen USA-weit wegen ihrer Weigerung, vor Gerichten oder Untersuchungskommissionen auszusagen, von Haftstrafen bedroht. Einige stehen bereits unter Hausarrest.

Miller und Cooper waren im Oktober 2004 von Richter Thomas F. Hogan wegen „Civil Contempt“, also der Missachtung einer offiziellen Untersuchung durch eine so genannte Grand Jury, verurteilt worden. Sie hatten sich geweigert, vor der Grand Jury auszusagen. Hintergrund des undurchsichtigen Verfahrens ist die Enttarnung einer CIA-Agentin. Doch damit hatten Miller und Palmer direkt gar nichts zu tun: Die Identität der Undercover-Agentin Valerie Palmer war schon 2003 von dem Kolumnisten Robert Novak enthüllt worden. Ob Novak selbst ebenfalls belangt wird oder mit den Ermittlern zusammengearbeitet hat, ist unklar. Laut RCFP verweigert er jede Stellungnahme.

Als „Whistleblower“ verdächtigt werden offenbar Spitzenbeamte der US-Regierung. Denn die Identität von Palmer soll als Rache dafür aufgeflogen sein, dass ihr Ehemann, der ehemalige US-Botschafter Joseph Wilson, die Irakpolitik der Bush-Regierung kritisiert hat.

Hierüber hatte Matthew Cooper im Magazin Time berichtet. Judith Miller hatte dagegen lediglich Material für einen möglichen Beitrag recherchiert, der aber nie erschien.

„Ich bin extrem enttäuscht“, sagte Miller laut einem von der New York Times verbreiteten Statement: „Journalisten können einfach nicht ihre Arbeit machen, wenn sie ihren Quellen nicht Anonymität zusichern können. Dieser Schutz ist für den freien Informationsfluss in einer Demokratie unabdingbar.“ Sie will sich weiterhin nicht dem Druck der Ermittler beugen und „lieber ins Gefängnis gehen“. Die Anwälte von Cooper erklärten dagegen laut US-Medienberichten, sie wollten heute noch einmal vor Richter Hogan vortragen und alles von dessen endgültiger Entscheidung abhängig machen.

Strittig ist mittlerweile, ob bei der Enttarnung von Valerie Palmer überhaupt gegen geltendes Recht verstoßen wurde. „Es wäre eine absolute Verirrung der Justiz, wenn zwei Journalisten ins Gefängnis gehen, weil sie sich an ihr Versprechen gehalten haben, ihre Quellen nicht zu nennen – und gar kein Gesetzesverstoß vorlag“, so gestern RCFP-Chefin Lucy A. Dalglish.

info: www.rcfp.org