gottschalk sagt
: Meine Kindheit im Bücherbus

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Als ich gelesen habe, dass in Köln der Bücherbus wieder fährt, habe ich mich gefreut. Ich hätte meine Kindheit ohne den Bücherbus (jenen der Stadtbibliothek Hannover allerdings), vermutlich ohne Justus Jonas von den drei ??? (sprich: „Die drei Detektive“), Detektiv Kim (aus Kopenhagen) und die fünf Freunde verbringen müssen. Keine schöne Vorstellung. Börnie Klapproth und ich gingen meistens zusammen zum Bücherbus, der genau in unserer Reihenhaussiedlung eine Haltestelle hatte. Wir waren beide sehr gewissenhaft und brachten nie ein Buch zu spät zurück. Wir lasen viel, schnell und oft die gleichen Bücher.

Damals entwarf ich mein erstes Exposé für einen Roman: „Fünf gen Osten“: Fünf Freunde machen eine Radtour und der Dicke kocht immer für alle. Mehr fiel mir nicht ein. Ein Umstand, an dem mein Debut als Romancier bis heute gescheitert ist. Mit zwölf stiegen wir auf Erwachsenenbücher um: Agatha Christie! Da es noch keinen HipHop gab, war die schlimmste Droge, die wir kannten, der Portwein, der in Hercule-Poirot-Romanen getrunken wurde. Über Sex war in diesen Romanen nun leider auch nicht viel zu erfahren, in Agatha Christies Welt spricht man nicht darüber, warum Poirot Junggeselle ist. Dann erschien „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, wir zogen in einen Stadtteil mit einer eigenen Bibliothek, und schlecht gelaunt kündigte sich alsbald die Pubertät an: So endete meine Kindheit.

Gibt es für meine Generation eigentlich auch so einen tollen Namen wie „Golf“ oder „X“? Ich wäre ja für „Generation, die ohne Sturzhelm Fahrrad fahren gelernt hat, gelben Sprudel trank, die drei ??? nicht auf Hörspielcassette gehört, sondern gelesen hat und TKKG scheiße findet“, oder: „Generation Bücherbus“.