Tote bei Demonstrationen im Kongo

Mit einem massiven Militäraufgebot geht die Regierung in Kinshasa gegen Massenproteste vor. Dabei fallen Schüsse

BERLIN taz ■ Mit Gewalt sind Armee und Polizei gestern in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa gegen Demonstranten vorgegangen, die einem Aufruf von Oppositionsparteien zu „friedlichen Protesten“ gegen die Allparteienregierung gefolgt waren. In mehreren Stadtvierteln, vor allem im Osten Kinshasas, sammelten sich bereits im Morgengrauen tausende Menschen, um sich zu Großdemonstrationen zusammenzuschließen. Militärs wurden zuweilen mit Steinen beworfen. Noch bevor sich größere Demonstrationszüge formieren konnten, wurden die Menschen laut Augenzeugen mit Tränengas und auch scharfer Munition auseinander getrieben. Mehrere Augenzeugen sprachen gegenüber der taz von mindestens drei Toten bis zum Mittag, darunter eine Frau und ein Kind.

Die wichtigsten nicht in Kongos Regierung vertretenen politischen Parteien hatten zu Massenprotesten ab dem 30. Juni aufgerufen, weil ihrer Meinung nach an diesem Tag die in den Kongo-Friedensabkommen von 2003 festgelegte Amtszeit der Allparteienregierung aus den ehemaligen Kriegsparteien des Landes unter Führung von Präsident Joseph Kabila abläuft. Die Amtszeit wurde zwar vor zwei Wochen vom Parlament in Kinshasa verlängert, um die Vorbereitung freier Wahlen zu ermöglichen. Doch Kongos größte Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) wiederholte am Dienstag ihren Aufruf an das Volk zu einem „friedlichen Marsch“ am 30. Juni, um „die automatische Verlängerung der Übergangszeit mit einer gescheiterten Mannschaft abzulehnen“. Die Demonstranten sollten keine Gewalt ausüben oder sich dazu provozieren lassen, hieß es in Abgrenzung zu radikalen Kräften.

Die Gegenstrategie des Staates bestand gestern in einem massiven Militäraufgebot und dem Abriegeln oppositioneller Viertel, vor allem Limete, wo UDPS-Führer Etienne Tshisekedi lebt. „Es gibt fast überall Straßensperren, die Leute können sich nicht bewegen“, berichtete ein Aktivist der Menschenrechtsorganisation Voix des Sans-Voix (VSV). „Sie schießen scharf auf die Menge“, beschrieb ein Universitätsprofessor die Vorgänge an den Straßensperren. Kampfhubschrauber kreisten über dem Stadtzentrum. Ein ausländischer Augenzeuge berichtete, er habe gesehen, wie mehrere hundert festgenommene Demonstranten in den Rohbau der neuen Polizeizentrale von Kinshasa gekarrt wurden. Einem unbestätigten Bericht zufolge schossen am Nachmittag Soldaten auf eine erneute friedliche Versammlung im Stadtteil Masina nahe dem Flughafen von Kinshasa, einer weiteren Hochburg der Opposition. Tote wurden außerdem aus den zentralkongolesischen Diamantenstädten Mbuji-Mayi und Tshikapa gemeldet.

In Kinshasa wollten Demonstranten am Abend in Richtung des „Volkspalastes“ marschieren, Sitz des kongolesischen Parlaments, der zwischen den östlichen Oppositionshochburgen und dem Stadtzentrum liegt. „Heute oder morgen werden die Leute außerdem zu Tshisekedi gehen, um ihn zum Präsidenten auszurufen“, sagte ein Parlamentsabgeordneter, der in Limete lebt. DOMINIC JOHNSON