Widerstand gegen Bushs Klimapolitik

Statt global boykottieren, lokal handeln: US-amerikanische Bürgermeister wollen, dass die Regierung das von ihr ungeliebte Kioto-Protokoll doch noch ratifiziert und gehen bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen mit gutem Beispiel voran

VON JOHANNES NOVY

Beim Klimaschutz gelten die USA als „Schurkenstaat“, schließlich stößt kein anderes Land so viele Klimagase aus. Doch während die Regierung Klimaschutzbemühungen boykottiert, ist man auf lokaler Ebene weiter: Über 1.000 US-Städte haben inzwischen einen Aufruf unterzeichnet, in dem die Bush-Regierung gedrängt wird, das Kioto-Protokoll zu ratifizieren.

Diese grüne Revolution von unten begann am 16. Februar in Seattle – an jenem Tag, an dem das Kioto-Protokoll unterzeichnet wurde. Völlig überraschend verkündete Bürgermeister Greg Nickels, die Klimaschutzziele lokal umsetzen zu wollen. Kritiker reagierten zunächst skeptisch und unterstellten dem Stadtoberhaupt, nur mit Symbolpolitik auf Wählerfang zu gehen.

Heute ist vom Vorwurf des Populismus nur noch wenig zu hören, denn der streitbare Demokrat hat Taten folgen lassen. So sollen die städtischen Elektrizitätswerke ihren Energiemix bis Jahresende so verändern, dass sie den Energiebedarf Seattles ohne die Netto-Emission klimaschädigenden Gase erzeugen können. Vorgesehen sind unter anderem Investitionen in Wind- und Wasserkraft. Städtische Busse und Fähren werden unterdessen auf Biodiesel umgerüstet, während die kommunale Abfallwirtschaft daran arbeitet, ihren Recyclinganteil bis 2008 auf über 60 Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig will Nickels den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, klimafreundliche Gebäude fördern und der Zersiedlung entgegenwirken.

Will der Bürgermeister die Kioto-Ziele einhalten, muss er die Emissionen bis 2012 auf 7 Prozent unter den Stand von 1990 drücken. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass ihm dies gelingt. Wissenschaftler weisen zudem darauf hin, dass sich die klimaschädigenden Effekte von Metropolen nicht auf die Emissionen reduzieren lassen, die im Stadtgebiet ausgestoßen werden.

Trotz dieser Bedenken hat Nickels viel Zuspruch erhalten. Unterstützt von neun Amtskollegen hat Nickels Mitte März das „US Mayors Climate Protection Agreement“ verfasst, in dem sich die Bürgermeister dazu bekennen, die Kioto-Ziele auf lokaler Ebene umzusetzen. Bislang sind über 160 Städte beigetreten und weitere dürften folgen. Dabei fällt auf, dass sich nicht nur die ohnehin als progressiv geltenden US-Metropolen der Ost- und Westküste für den Klimaschutz aussprechen.

Wie ernst sie ihr Kioto-Versprechen nehmen, ist allerdings schwer zu sagen – es handelt sich um eine reine Absichtserklärung. Dennoch könnte sich die Klimaschutzinitiative der Städte zu einem echten Problem für das Weiße Haus entwickeln: Die Bürgermeister repräsentieren bereits über 30 Millionen US-Bürger. Zudem befinden sich unter den Unterzeichnern auch einige prominente Republikaner wie der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg. Und das ansonsten eher regierungstreue Massenblatt USA Today forderte den Präsidenten in ungewöhnlicher Schärfe auf, seine Klimaschutzpolitik zu korrigieren: „The debate’s over: Globe is warming.“