Und das Herz hickst

Der WDR geht mit der Single-Show „Liebe, Lisa“ in den Sommer. Dass das nicht in die Hose geht, liegt an einer Frau: Moderatorin Lisa Ortgies

VON SILKE BURMESTER

Lisa Ortgies ist als Moderatorin das, was das gescheiterte „Brigitte TV“ so dringend gebraucht hätte: kumpelhaft genug, um keinen Neid zu schüren, weiblich und bodenständig genug, um als authentisch empfunden zu werden, wenn sie durch die WDR-Sendung „frau TV“ führt – einen Ritt durch den weiblichen Kosmos von Schönheitswahn und Niedriglohnniveau.

Denn Lisa Ortgies hat nicht nur Verständnis, sie weiß auch, wovon sie spricht. Für eine Sendung, die zusammen mit „Mona Lisa“ im ZDF das einzig verbliebene Frauenprogramm im Fernsehen ist, ist Lisa Ortgies ein Quote bringender Glücksfall: zu modern, um mit ihr das gesamte Konzept als anachronistischen Emanzenscheiß abzutun. Nicht blöd genug, um den Mangel an Relevanz zu verkörpern, der – wo angeblich alles erreicht ist – „Frauenthemen“ vorgehalten wird.

Mancher Zuschauer bekommt Schluckauf, wenn er Lisa Ortgies sieht. Das gibt sie so offen zu. So eine Frau, die im Leben steht beziehungsweise dank einer privilegierten Jobsituation ein wenig oben drüber, die wünscht man sich an seiner Seite, wenn es mit einem der existenziellen Grundpfeiler im Leben nicht klappen will: der Liebe.

Die 38-Jährige scheint die Richtige zu sein um zu gucken, zu deuteln, zu empfehlen. Und genau das macht Lisa dann auch ganz unorthodox und hat die Idee, einer Yogaschülerin einen Kletterkurs nahe zu legen und einen Bodybuilder Ballett tanzen zu lassen, damit es mit der Liebe klappt. Ab heute können wir ihr dabei zuschauen, wie sie im Gespräch und bei verschiedenen Aufgaben die Beziehungsfähigkeit von Singles testet und den Kontakt zu ihnen ermöglicht. Denn verkuppelt werden sie nicht untereinander, sondern mit den ZuschauerInnen.

Viermal nimmt der WDR „Liebe, Lisa!“ ins Programm und begleitet Ortgies dorthin, wo das Elend zu Hause ist. In die Wohnung, an den Arbeitsplatz, zu den Freunden derer, die keinen haben, der sie liebt, ihr Leben teilt, sie in den Arm nimmt, einen Tee kocht, wenn der Magen krampft. Protagonisten einer Masturbationsgesellschaft, wie Oswald Kolle die harten Fälle unter ihnen nennt. „Singles suchen ein Zuhause“ ist der entsprechende Untertitel, passend zu den in den Sommermonaten verstärkt auftauchenden Rubriken der Tageszeitungen, in denen ausgesetzte Hunde und Katzen „ein neues Zuhause“ suchen. Und quasi ergänzend zum zweiten Sommerformat des WDR, der Improvisationscomdey „Coffeeshop“, starring: drei Singlefrauen.

Das Konzept von „Liebe, Lisa!“ – bei dem Menschen in der Hoffnung, einen Partner oder eine Partnerin zu finden, so weit gehen, Schranktüren zu öffnen und vor der Kamera die Dinge nachstellen, bei denen sie sich besonders blöd anstellen, wie spezielle Hausarbeiten – verspricht einer Zuschauerschaft, die zunehmend aus dem Scheitern anderer Vergnügen zieht, viel Spaß dank unfreiwillig komischer Momente.

Um den spitzfindigen Blamage-Jägern von Stefan Raab die sich Entblößenden nicht vor den Schneidetisch zu treiben, muss Lisa Ortgies an dieser Stelle zeigen, dass sie ihre reichlich ausgeschütteten Lorbeeren wert ist: Wenn es darum geht, die Würde desjenigen zu wahren, der die Nation in seine Seele und seinen Schrank gucken lässt, auf der Suche nach einem Menschen, der ihn liebt. Wenn es darum geht, medienunerfahrene Menschen vor ihrem oft folgenreichen Exhibitionismus zu schützen.

Es ist eine Sache, die Hoffnung zu haben, über eine Sendung einen Partner zu finden. Etwas anderes ist es, damit umgehen zu können, dass Leute einen im Fernsehen sehen und Schluckauf kriegen.

„Liebe, Lisa!“, 22.00 Uhr, WDR, auch am 13. Juli, 20. Juli und 31. August