Wurst und Käse satt

Antje Vollmer und Eckhardt Barthel luden zum Rückblick auf rot-grüne Kulturpolitik

Es war ein merkwürdig bescheidener Auftritt, mit dem Antje Vollmer und Eckhardt Barthel, kulturpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD, auf sieben Jahre rot-grüner Kulturpolitik zurückblickten. Das kleine Besprechungszimmer im Bundestag hatte knapp genug Stühle für die ungefähr zwanzig geladenen Journalisten, für deren Kommen Barthel sich so begeistert bedankte, als hätte er höchstens mit fünf gerechnet. Die mit Wurst und Käse belegten Brötchen hätten dagegen für viermal so viel Leute gereicht.

Apropos Brötchen: „Kultur ist Lebensmittel“ galt den rot-grünen Kulturpolitikern als ein Motto, mit dem sie den Schutz der Kultur stärken wollten. Dort zum Beispiel, wo sie sich dafür einsetzten, dass sich der Staat nicht aus der Verantwortung für Institutionen zurückzieht, wie im Fall der Opernstiftung in Berlin. „Kultur als Lebensmittel“ war auch ihre rhetorische Formel, um sich nicht in Konkurrenzgefechte zwischen Kultur- und Sozialpolitik verstricken zu lassen. Geholfen haben solche Parolen allerdings nicht viel. Kultur ist noch immer eine freiwillige und keine Pflichtaufgabe von Bund und Kommunen.

Eine eigene Kontur als rot-grünes Projekt hat die Kulturpolitik der letzten sieben Jahre kaum gewonnen, eher stehen ihre Erfolge für den Repräsentationsbedarf der Berliner Republik. Als ersten und großen Gewinn werteten Antje Vollmer und Eckhardt Barthel die Einführung des Amtes des Staatsministers für Kultur und Medien, weil damit Kultur als wichtiges Thema auf Bundesebene verankert wurde. Doch diese Stärkung der Bedeutung war zwar ein Statusgewinn, der das Feld der Kultur auch für politische Karrieren aufwertete. Die Instrumente, Kultur zu erhalten und aufzubauen, sind damit aber oft nur symbolisch gestärkt worden.

Als Erfolge ihrer Kulturpolitik verbuchen Vollmer und Barthel die Reform des Stiftungsrechts und die Förderung von Bürgerengagement. Als Ergebnis dieser Ermunterung sehen sie etwa die Leihgaben der privaten Kunstsammler, denen die Staatlichen Museen in Berlin in den letzten Jahren ihre spektakulärsten Ausstellungen verdankten. Über die Kehrseite, die Abhängigkeit der Museen von den Sammlern und ihren Forderungen, redeten sie lieber nicht.

Kultur und ihre politische Vertretung sind sich unter einer rot-grünen Regierung doch nur partiell näher gekommen und oft gerade nur dort, wo die Kultur die Zeichen einer Erneuerung versprechen konnte. Dazu gehören zum Beispiel die mit schönen konzeptuellen Kunstwerken ausgestatteten Bundesbauten, die zu einem eigenen Programmpunkt im Kalender des kulturbeflissenen Berlinbesuchers wurden. Neue große Auftrittsflächen für eine Begegnung von Kultur und Politik sind so entstanden, die hervorragend zur Inszenierung als Kulturnation passen.

Dagegen ist es nicht gelungen, Infrastruktur und künstlerische Produktionsbedingungen zu verbessern. Im Gegenteil. Niemand bezweifelt, dass die Reformen des Arbeitsmarktes den Alltag von vielen bildenden Künstlern und Schauspielern sehr erschweren werden. Kulturarbeiter zu sein, scheint wieder zu einem Privileg und Luxus zu werden. Alles andere als ein „Lebensmittel.“

KATRIN BETTINA MÜLLER