Die Geschichtsstripperin

Die Berlinerin Elke Steiner zeichnet Comics und erzählt darin deutsch-jüdische Geschichte(n) in Bildern. Dafür bekommt sie Zuspruch und Stipendien – hin und wieder aber auch eine üble Drohung

INTERVIEW CHRISTOPH BANNAT

taz: Frau Steiner, wie kam es dazu, dass Sie in der Ausstellung „Mit Supermann fing alles an“ im Haus Schwarzenberg vertreten sind?

Elke Steiner: Zum einen habe ich viel mit dem israelischen Autor Edgar Keret zusammengearbeitet, zum anderen habe ich seit 2001 mehrere Comics zur deutsch-jüdischen Geschichte veröffentlicht. Die Kuratorin Katja Lüthge hat mich daraufhin eingeladen. Für die Ausstellung habe ich dann die Kurzgeschichte „Ich und Ludwig töteten Hitler ohne Grund“ von Edgar Keret in zehn Bildfolgen interpretiert.

Wie kamen Sie dazu, historische Comics mit deutsch-jüdischem Hintergrund zu zeichnen?

Bei mir kommen Neigung und allgemeines Interesse für Religion und Geschichte zusammen. In der evangelischen Kirche in Bremen, wo ich aufgewachsen bin, habe ich oft an Abendkursen des Landesrabbiners Benjamin Basley teilgenommen. Im Nachhinein glaube ich, dass mir das auf eine fast selbstverständliche Art den Antrieb und den Mut gegeben hat, mich in Rendsburg um ein Stipendium zu bewerben.

Was war das für eine Bewerbung in Rendsburg?

Ich hab zuerst freie Kunst in Münster studiert, dann aber schnell festgestellt, dass mich Bildergeschichten mehr interessieren, und ein Grafikstudium begonnen. Dort entstand auch der erste Kontakt zum Bremer Comicfanzine Panel. Mein erster historischer Comic war über die Bremer Giftmischerin der Biedermeierzeit, Gesche Gottfried. Ohne diese historische Recherche hätte ich mich wohl auch nicht in Rendsburg beim Dr.-Bamberger-Haus beworben, einem ehemaligen Talmud-Thora-Haus, in dem sich das Archiv der jüdischen Geschichte Schleswig-Holsteins befindet. Mein Vorschlag war, das Archiv zu nutzen, um diese Geschichte als Comic zu veröffentlichen.

Wie wurde Ihr Vorschlag, einen Comic über jüdische Geschichte zu machen, vom Bamberger-Haus aufgenommen?

Gerade ältere Leute waren zuerst entsetzt. Da gibt es immer noch das Klischee, dass Comics grundsätzlich witzig sind. Das war die eine Vereinfachung. Wenn von jüdischer Geschichte die Rede ist, denkt jeder zuerst an den Holocaust, das ist die andere Verkürzung. Wie man beides zusammenbringen will, ist für viele undenkbar. Dabei gibt es jüdische Geschichte in Rendsburg seit dem 17. Jahrhundert, und die war nicht immer schrecklich. Auch das wollte ich zeigen.

An wen richten Sie sich?

Da habe ich keine spezielle Zielgruppe. Es ist schön, wenn Schulklassen damit arbeiten, was auch schon häufig passiert. Ich selbst habe mir da aber keinen pädagogischen Auftrag gegeben, ich zeichne die Sachen, wie ich sie möchte, und nicht nach Marktforschungsgesichtspunkten.

Sie haben dann für das Deutsche Ärzteblatt, Le Monde diplomatique und für die Jüdischen Literaturtage jüdische Geschichte in Geschichten gezeichnet. Bei Deutschlands feinstem Independent Comic-Verlag Reprodukt erschien 2004 mit „Die anderen Mendelssohns – Dorothea Schlegel und Arnold Mendelssohn“ Ihre erste Buchveröffentlichung. Gehört das jetzt zu Ihrem Image?

Für das Ärzteblatt habe ich zuerst Funnystrips über die Situation junger Ärzte im „Praktischen Jahr“ gemacht und ihnen anschließend die Geschichte von Dr. Käthe Frankenthal angeboten – einer Frau aus der ersten Generation von Ärztinnen. Käthe Frankenthals Lebenslauf, ihre wechselhafte Geschichte als Sozialistin, ihre Flucht und Emigration fand ich einfach spannend.

Daraufhin bekam ich auch einige Leserbriefe: Manche wollten, dass man mit dieser Geschichte doch endlich abschließen solle, von manchen bekam ich aber auch Zuspruch. So was macht Mut. Von Edgar Keret, der beim Luchterhand Verlag veröffentlicht, habe ich mir erst die allgemein menschlichen Geschichten vorgenommen. Er selbst schlug mir dann vor, mit einer Comicumsetzung seiner Erzählung „Shoes“ die Geschichte des deutsch-jüdischen Verhältnisses sowie die Auswirkungen des Holocaust bis in die dritte Generation zu thematisieren. Die Familienserie „Die anderen Mendelssohns“ hat wieder eine andere Vorgeschichte – da wurde ich im Rahmen des Mendelssohn-Jahres 2004 um einen Comic gebeten.

Manchmal bekomme ich aber tatsächlich Sprüche wie „Willst du nicht gleich Jüdin werden?“, sogar ein paar explizite Warnungen à la „Mach doch mal etwas anderes!“ waren schon darunter. Dabei finde ich die Geschichten und Geschichte einfach spannend – man unterscheidet doch auch nicht zwischen katholischer und protestantischer Geschichte.

Haben Sie denn ein bestimmtes Geschichtsbild? Auffällig ist ja, dass Sie Ihr Augenmerk oft auf eher abseitige Alltagsgeschichten richten.

Vielleicht möchte ich, indem ich Geschichte alltäglich zeige, diese weniger exotisch und fremd erscheinen lassen. Denn die jüdische Geschichte in Deutschland ist doch, ganz einfach gesagt, auch unsere Geschichte.