Leicht betäubt bei fetten Beats

Der Summerjam in Köln ist das größte Reggaefest in Europa. Nach Drogenexzessen und homofeindlichen Songs soll in diesem Jahr alles p.c. ablaufen: Nur der uneinsichtige Reggae-Sänger Sizzla musste aus dem Line-Up gekickt werden

AUS KÖLN OLIVER MINCK

Zum 20. Mal jährt sich an diesem Wochenende das Kölner Summerjam-Festival – und wieder einmal ist es den Veranstaltern gelungen, fast alles, was in der nationalen und internationalen Reggae-, Dub- und Dancehall-Szene Rang und Namen hat, an den Fühlinger See zu locken. Nach einer heißen Debatte im Jahre 2003, als die Zukunft des Festivals aufgrund massiver Klagen des Polizeibeirates über den Drogenkonsum auf dem Spiel stand, sind die Verträge nun längerfristig gesichert.

„Natürlich gehen wir davon aus, dass der Betäubungsmittelkonsum bei einem Reggae-Festival deutlich höher ist als bei einem normalen Rockkonzert, dennoch sind die Fälle rückläufig“, sagt Robert Freund, der polizeiliche Einsatzleiter des Festivals. 2003 habe es 500 registrierte Verstöße gegeben, letztes Jahr nur noch 380. Ohnehin handele es sich dabei fast ausschließlich um so genannte „weiche Drogen“ wie Cannabis, härtere Substanzen seien in den vergangenen Jahren die absolute Ausnahme gewesen. „Es geht uns in erster Linie darum, Anbahnungs- und Dealgeschäfte in den Griff zu bekommen“, so Freund. Man sollte als Polizei den Festivalbesucher nicht unter Generalverdacht stellen, wie das hier sicherheitspolitisch vor drei, vier Jahren mal diskutiert wurde“.

Das Drogenthema ist also erst mal vom Tisch, ganz ohne Kontroverse kommt das Summerjam-Festival aber nicht aus: Der Skandal war groß, als im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass Bands mit homophoben Texten aufgetreten waren. Künstler wie „Beenieman“ hatten öffentlich zur Gewalt gegen Schwule und sogar zu deren Tötung aufgerufen. Dass das an sich nichts Neues ist in der Reggae-Szene, wurde daraufhin zum großen Thema in den Medien: Schwulenfeindlichkeit ist tief verankert in der jamaikanischen Kultur, homosexuelle Beziehungen sind auf Jamaika sogar gesetzlich verboten. Laut Amnesty International kommt es immer wieder zu Übergriffen gegen Schwule: Beleidigungen, Körperverletzungen, Morde. So gehören schwulenfeindliche Äußerungen von Reggae-Künstlern zum gesellschaftlichen Konsens und gelten sogar als Ausdruck von Religiösität.

Carolyn Cooper, Professorin für Kulturwissenschaften auf Jamaika, analysierte die Hintergründe dieses Phänomens: „Unser Hauptproblem ist, dass wir allgemein in einer sehr gewalttätigen Gesellschaft leben. Die Ursachen liegen in der Sklavenzeit, als Europäer Westafrikaner brutal versklavt und nach Jamaika gebracht haben.“ Es sei ein Wunder, dass sich die Gesellschaft überhaupt so human entwickelt habe, schließlich sei ihnen das alte Testament mit seiner Feuer- und Schwert-Metaphorik eins zu eins eingebläut worden.

An den Summerjam-Veranstaltern ist die Homophobie-Debatte nicht spurlos vorbei gegangen. „Wir haben uns im vergangenen Jahr mit Menschenrechtsorganisationen und Schwulen- und Lesbenverbänden zusammengesetzt“, sagt Festival-Sprecherin Jutta Hackland. „Wir schreiben in unsere Verträge, dass schwulenfeindliche Äußerungen bei uns nicht drin sind.“ Obwohl die Frage natürlich bliebe, ob sich in den Köpfen auch was verändert habe.

Wenig verändert hat sich offensichtlich im Kopf des Reggae-Sängers Sizzla, ein fundamentalistischer Anhänger der Rastafari-Bewegung. Weil er sich auf die Vertragsbedingungen nicht einlassen wollte, wurde er kurzerhand aus dem Line-Up gekickt.

Aber auch ohne Sizzla weiß das Programm zu beeindrucken: Mit Seeed, Gentleman und Patrice sind die drei ganz großen deutschen Reggae- und Dancehallacts am Start. Um echte Reggae-Legenden handelt es sich unter anderem bei Black Uhuru, Alpha Blondy oder Gregory Isaacs.