Auf der Suche nach Lafarque

Polizei verdächtigt Labournet.de der Urkundenfälschung und lässt drei Wohnungen durchsuchen. Aktivisten sehen darin einen Schlag gegen die Anti-Hartz-Bewegung

Am Dienstagmorgen beschlagnahmte die Polizei in drei Wohnungen in Bochum Computer, Laptops, Disketten, CDs und archiviertes Schriftmaterial. Alle drei Betroffenen sind aktiv bei der Internetplattform Labournet www.labournet.de, die sich in letzter Zeit immer mehr zu einer Kommunikationsmedium für Gewerkschafts- und Erwerbslosengruppen entwickelt hatte. Bei der Industriesoziologin Mag Wompel, einziger hauptamtlicher Labournet-Mitarbeiterin, ließ die Polizei die Wohnungstür von einem Schlosser in ihrer Abwesenheit öffnen. „Wir wurden von der Razzia total überrascht“, meinte Ralf Pandorf, einer der Betroffenen, gegenüber der taz.

Der Grund für die Razzia ist der Verdacht auf Urkundenfälschung. Im Dezember 2004 soll in Bochum ein Flugblatt verteilt worden sein, das zu den Protesten gegen die Hartz-Gesetze aufgerufen hatte. Auf dem Flugblatt soll der Briefkopf eines Bochumer Arbeitsamtes verwendet worden sein. Unterschrieben worden sei es mit „Lafarque“. Nun ist Paul Lafargue (!) schon lange tot. Der Schwiegersohn von Karl Marx ist durch seine programmatische Schrift „Recht auf Faulheit“ populär geworden. „Wir kennen das Flugblatt nicht und haben es auf Labournet auch nie veröffentlicht“, meinte Pandorf. Der Zusammenhang zu der Internetplattform sei ihm völlig unverständlich. Gewerkschaftslinke und Erwerbslosengruppen sehen in der Razzia einen Schlag gegen die Hartz-IV-Protestbewegung. Labournet hatte bei den Protesten eine wichtige Rolle als Koordinierungsplattform gespielt.

Die Polizei interessiert sich besonders für die Schriften und Datensätze, die im Dezember 2004 verfasst wurden, weil in diesem Zeitraum das inkriminierte Flugblatt verfasst worden sein soll. Gerade zu dieser Zeit war aber auch der Höhepunkt der Vorbereitungen zu der Kampagne „Agenturschluss“. In mehreren Städten waren am 3. Januar 2005 im Rahmen der Kampagne die Arbeitsagenturen blockiert worden. Labournet hatte bei der Aktion eine wichtige Rolle gespielt. Jetzt befürchten AktivistInnen der Erwerbslosengruppen, dass die Polizei mit ihrer Razzia gezielt Informationen über die unabhängige Erwerbslosenbewegung sammeln will. In einer Presseerklärung protestieren die Labournet-MitarbeiterInnen gegen die „völlig überzogene und unverhältnismäßige Aktion“, durch die sie ihr Recht auf Pressefreiheit verletzt sehen. Außerdem fordern sie die sofortige Herausgabe der beschlagnahmten Materialien. Durch den Verlust der technischen Geräte ist Labournet derzeit fast lahm gelegt. PETER NOWAK