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Polizeiliche Kriminologen sehen Forschungsbedarf: Nicht alles, was die Polizei tut, macht nachweislich Sinn

bremen taz ■ Das ist selten: Ein ganzes Podium von polizeinahen und sogar polizeilichen Kriminalforschern räumt ein, dass auch Ordnungshüter nicht wissen, welche Wirkung ihr Treiben hat. Zwar gibt es realitätsnahe Annahmen, wissenschaftliche Belege aber, über den Nutzen von Videoüberwachung etwa, seien noch die Seltenheit. Über solche Lücken aufzuklären und diese wo möglich zu füllen, war gestern das Thema der Tagung „Empirische Polizeiforschung“ von Polizei und Hochschule für Öffentliche Verwaltung in Bremen. Außer 40 BremerInnen waren 20 VertreterInnen anderer Länder gekommen.

Als ein trauriges Kapitel der Wirkungsforschung hörten sie von Videoüberwachung, die nicht nur Datenschützer sondern durchaus auch praxisnahe Polizeibeamte mit Skepsis sehen. Aus gutem Grund, wie gestern Daniela Brandt von der Universität Bielefeld vortrug: In kaum einer der 27 deutschen Städte, die 2003 Videoüberwachung betrieben – darunter sieben in Hessen und fünf in Baden-Württemberg – ist belegt, dass die laufende Kamera Kriminalität verhindert. Zwar gebe es einzelne Auswertungen – doch seien die weder vergleichbar, noch in allen Fällen sauber gearbeitet. Wenn zudem – im Sinne der „Gefahrenabwehr“ – noch weitere Maßnahmen ergriffen werden, hat Erfolgsforschung kaum eine Chance. Beispiele sind hier eine verstärkte Streifen, dort ein riesiges Schild „Gefahrenort – videoüberwacht“. Schon werden potenzielle Opfer vorsichtig, während Taschendiebe und Dealer ihre Aktivitäten verlegen. Oder ein Bremer Beispiel: Wenn parallel zum Aufbau der Videoüberwachung der Abbau der Radstellplätze erfolgt, ist die Ursache eben nicht überprüfbar, wenn der Fahrradklau am Bahnhof abnimmt. Zumal statistische Daten nur über die Verbrechenslage im überwachten Bereich die Ausnahme seien, so Brandt. Sogar die polizeiliche Behauptung, Bürger fühlten sich Dank Videoüberwachung sicherer, müssen Forscher bezweifeln – mangels glaubwürdiger Belege.

Ohnehin ist das subjektive Sicherheitsempfinden ein weites Problemfeld: Eine „vielschichtige Gemengelage“ stecke hinter der subjektiven Gefahreneinschätzung des Bürgers, sagt der Bremer Experte Ulrich Goritzka. Und dass bis heute kein Mensch weiß, warum sich der Mann aus dem württembergischen Kleinstädtchen Rottweil ebenso oft als Opfer einer Straftat sehe, wie der aus Bremen – wo doch in Bremen nachweislich mehr geschieht. Denkbar, dass der Bremer die Beleidigung durch den Fremden in der Straßenbahn als unwichtige Äußerung eines Spinners abtue – während der Rottweiler Schwabe den Verbalausfall persönlich nimmt – als Opfer. ede