Bronze an Boygroup

Kubas Volleyballmannschaft erholt sich von einem schmerzlichen Aderlass und ist wieder Weltspitze

HAMBURG taz ■ „Wie schön ist diese Bronzene“, titelte die kubanische Tageszeitung Granma auf ihrer Sportseite überschwänglich. Das Comeback in der Weltspitze hat der kubanischen Boygroup kaum jemand zugetraut. Mit einem Altersdurchschnitt von 22,6 Jahren stellten die Volleyballspieler aus Kuba die jüngste Mannschaft der Endrunde. Schon die Qualifikation für das Final Four der Weltliga war eine dicke Überraschung. Italien, die Nummer zwei der Weltrangliste, wurde genauso wie Frankreich aus dem Weg geräumt, und auch in Belgrad präsentierte sich die Mannschaft von Coach Roberto García von ihrer besten Seite.

Und einem machte das Turnier sichtlich Spaß: Pavel Pimienta. Der 28-jährige Mannschaftskapitän genoss es sichtlich, wieder auf höchstem Niveau zu spielen. Es freute ihn, dass Kuba wieder mit der Übermannschaft aus Brasilien mithalten kann. Zwar ging das Spiel mit 1:3 verloren, aber phasenweise zeigten die Kubaner, warum sie das internationale Tableau derzeit von hinten aufmischen. Überaus athletischen Volleyball spielen die Kubaner, und das Match gegen die amtierenden Weltmeister und Olympiasieger war enger, als es das Ergebnis widerspiegelt. Daran hatte auch Pimienta, einer der weltweit besten Blockspieler, seinen Anteil. Rechtzeitig zum Saisonhöhepunkt präsentierte er sich in blendender Form, und um seinen Kapitän hat Trainer García das neue Team aufgebaut.

Pimienta gehört zur legendären ersten Sechs Kubas, die Ende der 90er-Jahre die Szene aufmischte. Spieler wie Ihosvany Hernández, Angel Dennis oder Osvaldo Hernández waren damals ein Begriff. Sie boten nicht nur in der Nationalmannschaft exzellente Leistungen, sondern auch im Verein. In der stärksten Liga der Welt, der italienischen A Uno, schmetterten sie im Auftrag des nationalen Verbands.

Siebzehn kubanische Spieler waren laut Nationaltrainer Juan Díaz Anfang 2000 in Italiens Ligen engagiert. Den letzten Schliff sollten sich seine Cracks dort holen und nebenbei Devisen für den klammen kubanischen Verband einspielen. Der kassierte das Gros der Lire-Millionen, von denen die Spieler je nach Verhandlungsgeschick zwischen 15 und 30 Prozent in Dollar erhielten. Gut zwei Jahre pendelten die Spieler zwischen Italien und Kuba.

Trainer, Spieler und Funktionäre waren anfangs sehr zufrieden mit dem Deal. Erfolge wie der erstmalige Gewinn der Weltliga 1998 oder der dritte Platz bei der WM im gleichen Jahr wurden auch auf die Spielpraxis in Italien zurückgeführt. Doch als 2000 bei Olympia in Sydney nur ein enttäuschender siebter Platz heraussprang, zogen die Funktionäre die Reißleine. Die Dollars hätten sich negativ ausgewirkt, die Disziplin habe gelitten und auch der Spielplan der A Uno sei nicht mit der nationalen Vorbereitung vereinbar, monierte Trainerguru Eugenio George. Wenig später wurde das Italien-Experiment bei Männern wie Frauen eingestellt: Die verantwortlichen Trainer, aber auch einige Spieler wurden aussortiert.

In Kuba war hinter vorgehaltener Hand von einer „Reideologisierung des Sports“ die Rede. Mit der waren einige der Cracks nicht einverstanden: Sechs Spieler der ersten Mannschaft setzten sich im Dezember 2001 bei einem Turnier in Belgien ab und fuhren nach Italien, um dort zu spielen. Kuba hatte seine Aushängeschilder verloren, denn neben Superstar Ihosvany Hernández waren Angel Dennis, Ramon Gato sowie der Sohn des Verbandspräsidenten, Leonel Marshall, und Yasser Romero mit von der Partie. Für die Nationalmannschaft war das eine Katastrophe, denn Kuba wurde in den folgenden Jahren in die zweite Garde der Volleyballnationen durchgereicht.

Auf dem 16. Platz stehen die kubanischen Boys heute. Coach García dürfte die Platzierung ziemlich egal sein. Im Visier hat er die Weltmeisterschaften nächstes Jahr. Da soll sich Kuba endgültig zurückmelden in der Elite des internationalen Volleyballs. Dass die Kubaner das Potenzial haben, ist unstrittig. Und sie sind lernfähig – wie das Turnier in Belgrad zeigte.

Nachdem das Auftaktspiel gegen Polen mit 2:3 verloren ging, drehte die kubanische Auswahl den Spieß im kleinen Finale um und sicherte sich den dritten Platz in 3:2-Sätzen. Einer der Besten im Team war Oldtimer Pavel Pimienta. Wieder einmal.

KNUT HENKEL