Sprachförderung kann PISA-Ergebnisse retten

Heute werden in Berlin die Ergebnisse des PISA-Ländervergleichs vorgestellt. Für Nordrhein-Westfalen erwarten Bildungsforscher erneut ein mittelmäßiges Ergebnis. Dafür werden Faktoren wie die geringe Wirtschaftskraft und der hohe Migrantenanteil verantwortlich gemacht

VON JÖRN-JAKOB SURKEMPER

Bei der Vorstellung des PISA-Ländervergleichs heute in Berlin wird Nordrhein-Westfalen vermutlich wieder nur mittelmäßig abschneiden, prophezeien Bildungsexperten. Auch nach einer neuen Studie der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm und Rainer Block ist das zu erwarten. In der Untersuchung vergleichen sie die Lernbedingungen in den Bundesländern hinsichtlich verschiedener Indikatoren. Nordrhein-Westfalen schneidet danach insgesamt nur durchschnittlich ab. Die besten Ergebnisse erzielen Hessen, Bayern und Baden-Württenberg. Noch schlechter schneiden die Stadtstaaten und die östlichen Bundesländer ab.

Auch beim letzten PISA-Ländervergleich aus dem Jahr 2000 landete Nordrhein-Westfalen etwa in der Lesekompetenz nur auf Platz sechs. Mitverantwortlich für das schlechte Abschneiden sei insbesondere der relativ hohe Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund, weiß Klaus Klemm von der Arbeitsgruppe Bildungsforschung und Bildungsplanung an der Uni Duisburg-Essen. Während unter den 15-Jährigen in NRW etwa 32 Prozent einen Migrantenhintergrund haben, sind es in Sachsen nur 5,5 Prozent. „Migrantenkinder erbringen im deutschen Bildungssystem sehr schlechte Leistungen“, sagt Klaus Klemm. Vergleicht man nur die Kinder der in Deutschland geborenen Eltern, rutscht NRW in der Lesekompetenz auf den dritten Platz vor, während Sachsen auf Platz sieben zurückfällt. „Das zeigt, dass sich die Bundesländer nur bedingt miteinander vergleichen lassen.“

Klemm betont allerdings, dass für das schlechte Abschneiden nicht die Migrantenkinder selbst verantwortlich gemacht werden dürften, sondern deren mangelnde Förderung: „In anderen Staaten mit ähnlichen Migrantenanteilen schnitten diese deutlich besser ab. Wenn man die PISA-Ergebnisse schnell verbessern wolle, müsse man folglich sehr viel etwa in die Sprachförderung stecken“, so Klemm.

Dies sieht auch Marianne Demmer, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) so. „Die Migrantenkinder brauchen unsere ganze Aufmerksamkeit“, sagt sie. Aber auch das Problem mangelnder Chancengleichheit sei noch nicht genügend angegangen worden: „Wir brauchen dringend höhere Investitionen im unteren Bildungsbereich“, so Demmer. Insbesondere bei den Hauptschulen sehe sie große Probleme. Besser noch sei aber, die Selektion guter und schlechter Schüler weiter nach hinten zu verschieben.

Neben dem Migrantenanteil ging es in der Studie auch um Faktoren wie Wirtschaftskraft des Landes, durchschnittlicher Bildungstand und Einkommen der Familien, die sich ebenfalls auf die Lernbedingungen der Kinder auswirkten. Klemm befürchtet hier ein weiteres Auseinanderdriften der reichen Bundesländer im Westen und Süden und der ärmeren Länder im Osten und Norden.

Welchen Einfluss die untersuchten Faktoren aber letzendlich auf die Leistungen bei PISA haben, müsse auch im Hinblick auf die heute veröffentlichten Ergebnisse noch untersucht werden. „Wir wissen über den Einfluss einiger Faktoren mehr, über den Einfluss anderer aber weniger“, sagt Klemm. So habe das Unterrichtsvolumen und auch die soziale Herkunft der Schüler einen starken Effekt, die Größe der Klassen spiele hingegen nur eine geringere Rolle. Was die bildungspolitischen Maßnahmen betrifft, sei man mit der beginnenden Ausweitung der Sprachförderung oder der ganztägigen Betreuung schon auf dem richtigen Weg. Man könne allerdings nicht erwarten, dass diese Maßnahmen schon jetzt Wirkung zeigten. Auch Klemm kritisiert die zu frühe Selektion der Kinder: „Eine Aufteilung der Kinder in verschiedene Schultypen halte ich persönlich für falsch.“