kuckensema: auf bremens leinwänden
: „Main Hoon Na - Ich bin für dich da‘‘ von Farah Khan / Die indische Feuerzangenbowle

Wer ist schon George Clooney im Vergleich zu Shah Ruk Khan? Die indische Filmindustrie ist immer noch die größte der Welt, und gerade jetzt baut sie ihren Vorsprung Hollywood gegenüber kräftig aus, denn in Indien ist keine Rede von einer Strukturkrise. Dort gehen die vielen Millionen Fans noch in die Kinos, um sich die Filme ihrer Idole anzusehen, und keiner wird dort zur Zeit so vergöttert wie Shah Ruk Khan. Die mindestens drei Stunden langen Bollywood-Schinken wurden bis vor kurzem in westlichen Kinos kaum gezeigt. Um sie zu sehen, mieteten etwa einige in Bremen lebende Inder das Cinema im Ostertor für einige Nachmittage im Jahr an, an denen sie dann meist schon ziemlich lädierte Filmkopien von ihren Lieblingsfilmen abspulten. Aber in letzter Zeit ist das populäre indische Kino im Westen in Mode gekommen. „Moulin Rouge“ von Baz Luhrmann war nicht viel mehr als eine verkappte Bollywoodkopie, mit „Monsoon Wedding“ gelang Mira Nair ein für westliche Zungen nicht ganz so scharf wie sonst gewürzter Masalafilm (Masala ist der indischer Eintopf, nach dem man in Bollywood die dort typischen Genremischungen benennt).

In Deutschland bringt der kleine Verleih Rapid Eye Movements mit großem Geschick einige der erfolgreichsten indischen Filme in die Programmkinos, und sogar das Bremer Kommunalkino, das angesichts des asiatischen Kommerzkinos lange die Nase rümpfte und statt dessen die oft extrem langweiligen Filmkunstwerke etwa eines „indischen Godard“ aufführte, spielt nun sechs dieser Kitschorgien.

Der ersten Film der Reihe „Main Hoon Ha“ bietet einen guten Einstieg, denn die Regisseurin Farah Khan hat fast alle Themen, Konventionen und Genres, die im Bollywoodfilm üblich sind, in diesen Kassenschlager aus dem Jahr 2004 hineingestopft. Kaum ein indischer Film kommt ohne den Erzählstrang mit den getrennten Geschwistern aus, und so geht Shah Rukh Khan als der Held des Films auf die Suche nach seinem Halbbruder, wie er es seinem Vater auf dessen Totenbett versprochen hat. Als der Elitesoldat Ram muss er sich dazu in einen Schüler an einem College in Darjeeling verwandeln, um unter den Schülern zum einen seinen Verwandten zu finden und außerdem noch die Tochter eines Generals zu beschützen, der eine Friedensaktion mit Pakistan plant und deswegen von Terroristen bedroht wird.

„Die Feuerzangenbowle“ trifft hier auf „Stirb Langsam“, und dazu wird auch noch alle zwanzig Minuten wie wild gesungen und getanzt. Mal gibt Khan den komischen Helden, der sich so in seine Chemielehrerin verkuckt, dass er immer wenn er sie sieht, zu singen anfängt, wobei dann aus dem Nichts ein ganzes Orchester auftaucht, um ihn zu begleiten. Aber ganz schnell wird dann aus dem netten, etwas verschusselten Ram ein Rambo, der sich in akrobatischen Actionszenen durch die Lüfte schwingt und von den Waffen der Übeltäter nicht verwundet werden kann.

Hier wird natürlich prompt „Matrix“ zitiert, aber in einer der witzigsten Szenen des Films weicht unser Held nicht wie dort in extremer Zeitlupe tödlichen Kugeln aus, sondern den Spuckegeschossen eines Lehrers mit besonders feuchter Aussprache. Mit solchen ironischen Pointen wird immer wieder der Pathos der Geschichte unterminiert.

So weht etwa auch in geschlossenen Räumen immer ein Wind durch die langen Haare der Miss Universum von 1994, Sushmita Sen, wodurch ihre Liebeszenen mit Shah Rukh Khan (bei denen nach den strengen Zensurbestimmungen Indiens immer noch nicht geküsst werden darf) ständig ins Surreale abdriften.

Auch die Tanzsequenzen hat die Choreographin Farah Khan in ihrem Debütfilm auf die Pointen hin inszeniert, und dadurch sind sogar diese für ein westliches Publikum gewöhnungsbedürftigen Sequenzen erstaunlich unterhaltsam, wenn etwa die Reagenzgläser in einem Schullabor genau im Takt explodieren. Und durch Frau Khans gutes Gespür für Rhythmus werden die einzelnen Bestandteile so rasant vermischt, dass einem nie Zeit bleibt, darüber nachzudenken, wie lächerlich solch eine Mischung aus Schulromanze und Politthriller im Grunde ist. Statt dessen werden einem diese 179 Filmminuten virtuoser Unterhaltung nie lang. Wilfried Hippen

„Main Hoon Na“ läuft von heute bis Dienstag um 20 Uhr im Kino 46 in der Originalfassung mit englischen Untertiteln