Luxus-Datscha mit Blick auf Gerichtssaal

Putin nimmt Ex-Ministerpräsidenten aufs Korn, der ihm Konkurrenz machen will. Fallstrick: getürkter Datschen-Kauf

BERLIN taz ■ An dem Tag im Februar 2004, als Michail Kasjanow nach vier Jahren als Russlands Ministerpräsident aus dem Amt entlassen wurde, sicherte er sich eine konkretere Basis für seine Existenz: Er erwarb ein 11 Hektar großes Grundstück mit Luxus-Datscha und eigenem Strand am Moskwa-Fluss. Vergangenen Montag kündigte die russische Staatsanwaltschaft eine Untersuchung des Kaufes an. Vor wenigen Tagen hatte nämlich ein Duma-Deputierter und Journalist den Ex-Premier öffentlich bezichtigt, das Anwesen bei einer von ihm selbst getürkten Auktion zu einem Schleuderpreis erworben zu haben.

Nun ist es in Russland keine Seltenheit, dass sich Politiker, einmal an der Macht, selbst wertvollen Grundbesitz zuschustern. Und wenn dort, wo es so viel zu untersuchen gibt, das Augenmerk so genannter Staatssicherheitsorgane einmal auf solch einen Vorgang fällt, schließt die Öffentlichkeit sofort messerscharf: Die Initiative dazu kommt „von oben“. Tatsächlich blieb Kasjanow während eines Jahres unbehelligt, in dem er in seiner Luxushütte politischen Winterschlaf hielt. Doch im Frühjahr trat er plötzlich vor die Presse, verkündete, dass Russland „eine falsche Richtung eingeschlagen“ habe, und profilierte sich als Konkurrenzkandidaten Putins für die Präsidentschaftswahlen im Jahre 2008.

Der Duma-Deputierte, der die Angelegenheit ans Licht brachte, schließlich gilt allgemein als Sprachrohr des Kreml.

Gerade in diesen Tagen fügt sich das Untersuchungsverfahren gegen den Ex-Premier organisch in eine große Kampagne gegen alle möglichen Konkurrenten Präsident Putins in Politik und Wirtschaft. Was Kasjanow betrifft, so befand er sich bereits als Finanzminister in der letzten Regierung Jelzin an der Schnittstelle zwischen beiden Sphären. Damals erhielt er den Spitznamen „Mischa 2 Prozent“, in Anspielung auf seine angebliche Bereitschaft, sich für die vielen Deals unter Russlands Oligarchen entlohnen zu lassen, die er damals vermittelte. Mit der Folge: Die Oligarchen so wie die Mehrzahl der russischen Geschäftsleute fühlten sich von ihm gefördert.

Im Gegensatz dazu fürchten sie die heutige Regierung, in welcher Geheimdienstleute die Oberhand gewonnen haben, die das private Großkapital, vor allem im Energiesektor, wieder unter ihre eigene Kontrolle bringen wollen. Michail Kasjanow erwies sich zwar bei den letzten Umfragen im Juni nicht als besonders populär bei der Masse der Wähler (1 Prozent hätte ihn zum Präsidenten gewählt, während 40 Prozent der Befragten für Putin gestimmt hätten), aber der massive Angriff auf ihn könnte ihn gerade als Kandidaten der Business-Eliten stärken.

Als die ersten Anklagepunkte gegen Michail Chodorkowski laut wurden, den kürzlich verurteilten Chef von Russlands einst größter und inzwischen zerschlagener Ölgesellschaft Yukos, nahm noch-Premier Kasjanow ihn in Schutz. Offenbar inspiriert von dem Yukos-Prozess, der von unabhängigen Beobachtern als grobe Verletzung der Menschenrechte gewertet wird, sagte Kasjanow kürzlich: „Es ist nicht wichtig, wer 2008 an die Macht kommt, sondern dass diese Person eine Bewegung für demokratische Rechte anführt.“ Der Schuss der Putin-Administration auf Kasjanow könnte nach hinten losgehen, meine viele Kommentatoren in der russischen Presse. Dass er einen so leichtgewichtigen Gegner derart aufwertet, spricht dafür, dass der von Bundeskanzler Schröder als „lupenreiner Demokrat“ bezeichnete russische Präsident faktisch eine Einmannliste anstrebt. BARBARA KERNECK