Motive im Dunkeln

Ihre umstrittene Razzia gegen die Internet-Plattform Labournet.de kann die Polizei nur vage begründen

Die gute Nachricht zuerst. Die MitarbeiterInnen der Internetplattform Labournet.de können wieder auf technisch hohem Niveau arbeiten. Seit dem 5. Juli war die Arbeit der laut Selbstdarstellung „gewerkschaftlichen Linken mit und ohne Job“ stark eingeschränkt. Die Polizei hatte an diesem Tag Computer, technisches Gerät sowie zahlreiche Schriftstücke beschlagnahmt (taz berichtete). Nach mehreren Schreiben von Labournet-Rechtsanwalt Lutz Eisel wurden die Rechner vor einigen Tagen wieder ihren BesitzerInnen ausgehändigt.

Alle beschlagnahmten Unterlagen, Ordner, CD-ROMs sind aber weiterhin im Besitz der Polizei. Darunter nach Angaben der Betroffenen auch die Labournetz-Korrespondenz im Zeitraum November 2004 bis Januar 2005 und alle Ordner zu den Aktionen „Agenturschluss“ und „Schwarze Schafe“.

Beide Aktionen wurden von Erwerbslosengruppen gemeinsam mit Labournet vorbereitet. Mit der Aktion Agenturschluss wurden am ersten Tag nach Inkrafttreten der Agenda 2010 die Agenturen für Arbeit besucht und teilweise auch blockiert. Unter dem Stichwort „Schwarze Schafe“ soll die Praxis der Ein-Euro-Jobs bei den unterschiedlichen TrägerInnen unter die Lupe genommen werden. „Die Aktion ‚Schwarze Schafe‘ wird den entsprechenden Leuten ganz sicherlich nicht gefallen“, heißt auf der Homepage von Labournet. War die Razzia ein Warnschuss wegen solcher und ähnlicher Aktivitäten? Das fragen sich nicht nur die MacherInnen der kritischen Internetplattform.

Denn die Motive für die Razzia bleiben weiterhin rätselhaft. Offiziell ermittelt die Polizei wegen Urkundenfälschung, weil ein Schreiben mit dem Briefkopf der Bundesagentur für Arbeit Bochum verteilt wurde, in dem die Ein-Euro-Jobs kritisch betrachtet wurden. Am Ende des Briefes wurde auf die Aktion Agenturschluss und einen Link bei Labournet zu dieser Aktion Bezug genommen.

„Damit ist genau das eingetreten, was wir befürchtet hatten: Auf dem eigentlichen Flugblatt steht nichts vom ‚Labournet‘, von ursächlicher ‚Urkundenfälschung‘ kann also keine Rede sein“, so der Mitarbeiter der Internetplattform, Ralf Pandorf, nach einer ersten polizeilichen Vernehmung. Dieser Meinung ist auch der Labournet-Anwalt Lutz Eisel. Er fordert die Einstellung des Verfahrens und die Herausgabe aller beschlagnahmten Gegenstände.

Unterdessen haben sich zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen, vor allem aus dem Erwerbslosenspektrum und den Gewerkschaften, mit Labournet solidarisiert. Sie sehen in der Polizeiaktion einen Angriff auf eines der wenigen unabhängigen Foren für kritische GewerkschafterInnen und Erwerbslose.

PETER NOWAK