Afrika misstraut dem Schuldenerlass der G 8

Zu oft schon flossen Hilfsgelder aus den reichen Ländern in die Kassen dubioser Regierungen. Auch in Deutschland Kritik: Schuldenerlass sei „unzureichend“. Geld für die Entwicklungsländer werde an anderer Stelle eingespart

COTONOU taz ■ Beide ziehen einen ähnlichen Schluss. Der eine aus Gefühl und Erfahrung. Der andere aus Finanzanalysen und Kampagnenmotivation. Abdoul Bah, Wächter in der senegalesischen Provinzstadt Ziguinchor: „Der Schuldenerlass für Afrika wird den normalen Menschen absolut nichts bringen. Es wird mit der Misere so weitergehen. Mit oder ohne diesen Schuldenerlass.“ Jonas Bunte von der deutschen Organisation „erlassjahr.de“ sagt: „Unzureichender Schuldenerlass führt zu fehlender Motivation für wirksame Entschuldung. Damit wird den Ländern in doppelter Hinsicht nichts Gutes getan.“

Anfang dieses Monats beschlossen die G-8-Mitgliedsstaaten einen Schuldenerlass von rund 50 Milliarden US-Dollar für 18 Länder, die meisten davon in Afrika. Der britische Premierminister Tony Blair übernimmt die Rolle des Vorkämpfers unter den Staatschefs der Industrienationen bei der Hilfe für die Ärmsten. Der Zweifel daran, dass die afrikanischen Regierungen letztlich mehr Geld für Entwicklung in ihren Haushaltsbudgets haben werden, wächst sowohl bei europäischen als auch bei afrikanischen Beobachtern.

Für die Menschen in Afrika bedeutet der Beschluss der reichen Länder auf dem G-8-Gipfel erst einmal ein Versprechen. Mit solchen Versprechen hat Afrikas Bevölkerung lange Erfahrung. Jedem neuem Staatschef – egal ob Staatsstreichler, Diktator oder neuerdings dem gewählten Regierungsoberhaupt – stand es gut an, ein ehrgeiziges Entwicklungsziel zu verkünden. In Ghana etwa hieß das „Gesundheit für alle im Jahr 2000“, in Nigeria „Vision 2010“ und für den ganzen Kontinent seit einigen Jahren „Nepad“, die von einigen Staaten ausgerufene „New Partnership for Africas Development“.

Viel ist daraus nicht geworden. Aber es gab dubiosen Regimen immer ein gutes Argument, um die Kredite zu bekommen, über deren Rückzahlung jetzt viel Wirbel herrscht. „Warum bekommen nur einige afrikanische Staaten Schuldenerlass und nicht alle?“, fragt Richard Konteh vom Zusammenschluss westafrikanischer Zivilgesellschaftsgruppen. „Das ist unnötige Diskriminierung. Alle afrikanischen Staaten haben unter Ausbeutung gelitten und reichlich Schulden zurückgezahlt.“ Die Gründe für den Ausschluss sind meist Korruption und schlechte Regierungsführung.

Der G-8-Beschluss bezieht sich nur auf ein paar der knapp zwei Dutzend Gläubigerinstitutionen. Nigeria zum Beispiel ist weder in der ersten noch in der zweiten Gruppe der Länder, die von den G-8-Ländern Schulden erlassen bekommen. Im Wettlauf um Schuldenerlass preist Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo nun eine Übereinkunft mit dem Pariser Club, dem Zusammenschluss der Gläubigerländer: Sein Land will 12 Milliarden Dollar innerhalb eines Jahres bezahlen und die Restschuld von 18 Milliarden Dollar tilgen. Vielen Nigerianern wird schwindelig bei diesen Summen. Noch Anfang des Jahres schlugen Parlamentarier vor, das Land solle die jährlichen Zahlungen von einer Milliarde Dollar verweigern. Aus den ursprünglich aufgenommenen 19 Milliarden Dollar sind über die Jahre insgesamt rund 50 Milliarden geworden.

Ein Kolumnist der nigerianischen Tageszeitung ThisDay schreibt: „Jetzt will unsere Regierung 12 Milliarden US-Dollar auf einen Schlag zahlen. Wäre es nicht besser, bei dem alten Modus der jährlichen Zahlungen zu bleiben, bis irgendwann einmal alle zur Besinnung kommen und wirklich faire Entschuldung anstreben? Jetzt sollten wir dieses Geld besser in die Wirtschaft des Landes stecken. Wir sollten nicht für Schuldenerlass Kampagnen machen, sondern für den Stopp der Zinsen und Strafgelder.“

HAKEEM JIMO