Groovt wie Sau

Wie eine komplette Rockband, aber ohne Gitarren: Das kanadische Duo Death From Above 1979 zeigt mit seinem Album „You’re A Woman, I’m A Machine“, was intelligenter Stumpfsinn ist

VON THOMAS WINKLER

Die unansehnliche Missgeburt Metal übt einen so unerklärlichen wie dauerhaften Reiz aus. Immer wieder wurde er aufbereitet, auf dass er auch außerhalb von Orten wie Krefeld konsumierbar werde. Einige der vielen Ansätze hießen Hard Rock, Hardcore, Crossover oder Metallica mit kurzen Haaren. Die Frage zu diesen Antworten war stets: Darf man sein Gehirn benutzen und trotzdem Schweinerock hören?

Die neueste Antwort gibt ein Duo aus Toronto: Death From Above 1979. Ihr Lösungsversuch heißt „You’re A Woman, I’m A Machine“, ist in Kanada und den USA bereits vor Jahresfrist erschienen und tatsächlich revolutionär. Denn während Generationen von Anti-Rockisten-Rockern versuchten, die verzerrte E-Gitarre von unansehnlichen Begleitumständen wie Macho-Gebaren, Poser-Allüren, Röhrenjeans und Vokuhila zu isolieren, gehen DFA79 den entgegengesetzten Weg: Sie schmeißen die Gitarre raus aus dem Metal, eliminieren mithin das Herzstück des Genres. Sebastien Grainger singt und trommelt, und sein Partner Jesse F. Keeler jagt seinen Bass so durch Verstärker und Effektgeräte, dass der Anschlag einer einzelnen Saite wie ein ganzes Riff klingt. Dass er bisweilen die Tasten eines unscheinbaren Keyboards drückt, darf getrost vernachlässigt werden.

Die Reduktion wirkt sich im Gesamtklang allerdings nicht wesentlich aus: Death From Above 1979 klingen wie eine komplette Rockband – abgesehen davon, dass es notgedrungen kein Gitarren-Solo geben kann. Glauben Sie also nicht, wenn Sie hören oder lesen, man habe es hier mit einem Angriff auf Hörgewohnheiten zu tun. Eher handelt es sich um einen strukturellen Paradigmenwechsel in der Produktionsweise, der zu nahezu identischen Ergebnissen führt. Alle bereits ausgebildeten und angehenden Gitarristen sollten also nun den Tatsachen ins Auge sehen: Metal braucht euch nicht mehr. Die Rhythmusabteilung hat den Laden übernommen, und jetzt groovt der Rock!

Das darf man nun also ein neues Zeitalter nennen. Oder zumindest einen cleveren Schachzug. Denn die simple Idee sichert Einzigartigkeit im Marktsegment und mithin ein schlagendes Verkaufsargument: Ey, Alter, die rocken wie Sau, und das auch noch ohne Gitarren!

Allerdings: Das schönste Konzept kann nur klicken, wenn die grundsätzlichen Qualitätsvoraussetzungen erfüllt sind. Soll meinen: Ist „You’re A Woman, I’m A Machine“ auch eine gute Rockplatte? Die Antwort: Ja. Wobei nicht unerwähnt bleiben darf: dass auch Led Zeppelin gute Rockplatten gemacht haben. Oder Black Sabbath. Oder selbst Deep Purple. Ja, genau: In diesen Untiefen bewegen wir uns hier. Schweinerock auf höchstem Niveau ist das. „Black History Month“ könnte in seiner lässigen dahingemuckerten Art auch von den Queens of the Stone Age sein, das Blues blutende Schwermetall von „Blood On Your Hands“ klingt nach White Stripes. DFA79 können aber auch reine, überschnappende Hysterie wie in „Pull Out“ und gleich anschließend einen fast schon abgehangen groovenden Rocker wie „Sexy Results“. Die übergewichtigen Breitwandriffs grummeln so unterirdisch, dass einem ganz schwummerant wird, und mitunter so schnell, dass einem die Luft wegbleibt.

Denn wenn der Tod von oben kommt, dann wird nicht warm geduscht und schattengeparkt, sondern geklotzt, geballert und gedröhnt: Stakkato, Ekstase, Blut ist dicker als Wasser und dahin gehen, wo es wehtut. Songs, die nicht umsonst kurz, knackig und klischeereich „Cold War“, „Turn It Out“ oder „Little Girl“ heißen. Das Tempo immer ziemlich flott bis ganz hysterisch, und natürlich, hofft man zumindest ganz fest, ist das alles nicht so vollständig ernst gemeint. Und tatsächlich: Im Videoclip zu „Blood On Our Hands“ rockt das Duo einen Club, beschmiert sich mit Blut und fährt ellenlange Limousinen – das volle Rockstar-Programm von, ja doch, schätzungsweise 1979, dem Jahr, in dem Sänger-Schlagzeuger Grainger geboren wurde. Grundsätzlich ist das eben steinalte, erzkonservative Musik, die es wert ist, bewahrt zu werden. Ab und an benötigt sie halt eine zeitgemäße Anpassung ihres Erscheinungsbildes.

Death From Above 1979: „You’re A Woman, I’m A Machine“ (679 Recordings/ Warner)