Müll vagabundiert durchs Land

Seit der Verschärfung des Müllgesetzes Anfang Juni werden die kleinen Entsorger ihren Abfall oft nicht mehr los. Die ökologische Behandlung ist zu teuer geworden

BERLIN taz ■ Müll aus der Tonne direkt auf die Deponie – das ist seit Anfang Juni diesen Jahres nicht mehr erlaubt. Jeder Kubikmeter Abfall muss vorbehandelt werden. Doch gebe es dabei „ernste Probleme“, sagte gestern Hans-Günter Fischer vom Verband der mittelständischen Entsorger BVSE der taz. Es vagabundierten tausende Tonnen Abfall auf Lastern durch das Land, weil es für sie keine Entsorgungsmöglichkeiten gebe.

Jeder Bürger wirft im Jahr rund 400 Kilo Müll weg. Seit anderthalb Monaten muss der Dreck, der in der grauen Tonne gelandet ist, entweder in hochmodernen Öfen verbrannt oder in mechanisch-biologischen Anlagen (MBA) kompostiert, verrottet und zerkleinert werden. Nur das, was dabei übrig bleibt, darf noch auf die Kippe wandern.

Müll zu entsorgen ist ein gutes Geschäft. Die Branche macht einen Umsatz von bis zu 36 Milliarden Euro im Jahr. Der Wettbewerb ist entsprechend hart und führt zu Spannungen. BVSE-Präsident Fischer wirft den großen Entsorgern vor, im Zuge der Neuregelung „an der Preisschraube zu drehen“ und „eine Marktbereinigung auf Kosten der kleinen und mittelständischen Unternehmen durchzusetzen“. Die kleineren Firmen fühlen sich vom Markt verdrängt.

Fischer stützt sich auf eine Befragung unter den gut 600 Mitgliedsfirmen des BVSE. Sie wird heute in Berlin vorgestellt. Danach nehmen viele private Betreiber von Müllverbrennungsanlagen die Fuhren kleinerer Entsorger einfach nicht an.

Der Verband der großen Müllentsorger, der BDE, will nichts wissen von einem Müllnotstand, den Konzerne wie Remonids, Cleanaway oder Alba verursacht haben sollen. Die hätten gar nicht die Macht, sagt BDE-Sprecher Gerd Henghuber: „Nur zehn Prozent der Müllverbrennungsanlagen sind in privater Hand.“ Die meisten würden von Kommunen betrieben. Die nehmen den Müll an, haben allerdings die Preise erhöht. Einige Müllfirmen suchten den falschen Schuldigen, so Henghuber. Sie hätten sich einfach schlecht vorbereitet.

Fest steht: Bis zu drei Jahre können für nicht vorbehandelte Abfälle auf Deponien Zwischenlager eingerichtet werden. Der Müll soll dann zu einem späteren Zeitpunkt kompostiert oder verbrannt werden. Bisher wurden 22 solcher Provisorien genehmigt. Umweltschützer sehen diese Praxis kritisch. Nabu-Präsident Olaf Tschimpke fürchtet, es werde darauf spekuliert, „dass sich nach drei Jahren keiner mehr an den dort gelagerten Müll erinnert“.

Genauso sorgt viele, dass überschüssiger Müll auch in Kraftwerken oder Zementwerken verbrannt werden kann. Deren Technik, Schadstoffe zu filtern, entspricht häufig nicht den Standards moderner Müllöfen. Aktueller Fall: Der Energiekonzern Vattenfall hat für das brandenburgischen Braunkohlekraftwerk Jänschwalde die Mitverbrennung von 400.000 Tonnen Abfall beantragt. Die Menge entspricht dem Müll von drei Millionen Menschen. Ein Nachbar und mit ihm die Umweltschutzorganisation BUND wollen jetzt klagen. HANNA GERSMANN

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