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: „Meeresfrüchte“

Meeresfrüchte turnen an, und so ist es mit der Familienidylle nicht weit her in dieser Komödie des Autoren- und Regiegespanns Olivier Ducastel und Jacques Martineau. Marc und Beatrix verbringen zusammen mit ihren beiden Kindern ihren Urlaub an der Mittelmeerküste. Doch spätestens, als die vier zum Abendessen von den glitschigen, aphrodisierenden Muscheln kosten, ist es aus mit dem harmonischen Sommerurlaub. Ein wirrer Liebesreigen nimmt fortan seinen Lauf.

Auf dem Liebeskarussell drehen sich: Tochter Laura, die von ihrem Freund auf dem Motorrad zum gemeinsamen Urlaub nach Portugal abgeholt wird. Sohn Charly, der Besuch von Martin bekommt, der wiederum so offensichtlich schwul und zudem verliebt in Martin ist, dass die Eltern bald vermuten, dass auch ihr Sohn dem eigenen Geschlecht den Vorzug geben könne.

Schließlich die Eltern: Vater Marc (Gilbert Melki) als Spießer, der vor lauter Schock ob der vermeintlichen Homosexualität seines Sohnes beim Frühstück tölpelhaft über Aids und Kondome schwafelt. Mutter Beatrix (Valeria Bruni-Tedeschi) hingegen als das genaue Gegenteil: Leger und tolerant gegenüber anderen, ist sie ihrerseits nicht eben das, was man einen treuen „angel of the house“ nennt. Ihr Liebhaber ist ihr in den Urlaub gefolgt, und die beiden frönen dem Lustprinzip, wo immer sich die Gelegenheit bietet. Und Abstriche machen ist ihre Sache nicht. Ja oder nein – warum nicht gleichzeitig ja und nein, ruft Beatrix einmal zornig aus.

„Meeresfrüchte“ probiert sich an diesem Paradox und spielt in etwa alle Liebeskonstellationen durch, die denkbar sind – als schließlich auch noch der schwule muskulöse Klempner (Jean-Marc Barr) auftaucht, werden die Karten von Treue und Betrug, vermeintlicher und unterdrückter Homosexualität noch einmal ganz neu gemischt.

Ducastel und Martineau lassen die Klischees reichlich gegeneinander krachen und schmücken ihren Film mit jeder Menge Vaudeville-Elemente aus. Türen knallen, es werden Songs aufs Parkett gelegt, und es wird zu lange zu warm geduscht – nur witzig ist das alles nicht. Den Überzeichnungen fehlt es an Biss, den burlesken Einlagen mangelt es an Schwung und Originalität. Statt Komik herrscht Klamauk, und wenn der Film gerade mal nicht zwanghaft versucht, witzig zu sein, kommt er mit einer reichlich bräsigen Back-to-nature-Romantik daher. Autor und Regisseur haben erklärt, ihr Film sei ein modernes Märchen, in dem es keine bad guys gebe außer „den Tabus und Beschränkungen, die jeder von uns in sich trägt und die uns daran hindern, die natürlichsten Regungen zum Ausdruck zu bringen“. Es ist dieses hippieske Unbehagen an der Kultur, das auch aus dem Film spricht. Es lässt einen wünschen, die Figuren hätten als Urlaubslektüre einen Roman von Michel Houllebecq dabei gehabt. SEBASTIAN FRENZEL

„Meeresfrüchte“. Regie: Olivier Ducastel, Jacques Martineau. Mit Valeria Bruni-Tedeschi, Jean-Marc Barr, Gilbert Melki u. a. Frankreich 2004, 90 Min.