Sträflicher „Tanz in den Mais“

Aufruf zum zivilen Ungehorsam: Die Kampagne „Gendreck weg!“ kündigt für nächste Woche an, dass sie einen Maisacker in der Nähe von Berlin verwüsten will. Bisher zerstörten Gen-Gegner Pflanzen heimlich, diesmal wird die Polizei zur Tat geladen

VON HANNA GERSMANN

Michael Grolm hat die Straftat präzise geplant. Datum: Sonntag, 31. Juli, 14 Uhr. Treffpunkt: ein Zeltcamp in Strausberg, Brandenburg. Deckname: „Tanz in den Mais“. Grolm wird zu Fuß aufbrechen und nach drei Kilometern zu seinem Ziel gelangen. Es ist ein 50 Hektar großes Maisfeld, mitten im Naturpark Märkische Schweiz. Er wird den Acker zerstören. „Befreien“, sagt er, der noch Gleichgesinnte sucht.

Grolm hat die Kampagne „Gendreck weg“ initiiert. Der 33-jährige Agraringenieur kämpft gegen Pflanzen auf dem Acker, die gentechnisch verändert wurden. Dass jemand Genfelder verwüstet, ist nicht neu. Doch dass jemand die Sabotage in aller Öffentlichkeit plant – statt im Geheimen –, das ist schon sehr selten. Grolm sagt: „Ich will nicht kriminalisiert werden.“ Deshalb lädt er auch die Polizei ein, die Tat zu beobachten. Zudem will er kurz vorher eine Anzeige schalten, in der die Namen aller Beteiligten stehen.

Grolm bekommt täglich neue Unterstützer. Gut 200 Feldbefreier haben sich schon gemeldet – Bauern, Naturkosthändler, Imker. Zudem unterstützen Alternative Nobelpreisträger wie Vandana Shiva oder der äthiopische Umweltminister Berhan Gebre Egziaher die Kampagne.

Doch gibt es auch Widersacher. Der brandenburgische SPD-Agrarminister Dietmar Woidke warnte: „Die Gentechnik-Gegner, die sich an dieser Aktion beteiligen, stellen sich damit selbst ins gesellschaftliche Abseits.“ Und Bauer Jörg Piprek, um dessen Acker es geht, hat längst die Polizei um Hilfe gebeten. Schließlich habe er „nichts Kriminelles“ gemacht, sagt Piprek. Sein Mais ist zwar in Polen oder Österreich verboten, in Deutschland aber erlaubt. Die Sorte 810 vom Weltmarktführer Monsanto ist gentechnisch so verändert, dass sie ein Gift gegen einen Schädling, den Maiszünsler, produziert. Ernteverluste seien nahezu ausgeschlossen, meint Piprek. „Das rechnet sich.“ (Siehe auch taz vom 3. 6.)

Das sieht Grolm ganz anders. Bauern machten sich abhängig von den wenigen Konzernen, die Gensaat anbieten. Langfristig werde das teuer, weil die konkurrenzlosen Firmen die Preise erhöhen könnten. Grolm, der sein Geld als Imker verdient, sorgt sich auch um die eigene Existenz. Zwar sammeln Bienen auf dem Mais keinen Nektar, bedienen sich aber am Pollen – mit dem sie den Nachwuchs füttern.

Grolm fürchtet: Sollte die Stiftung Warentest oder Ökotest den ersten Genpollen im Honig finden, „kauft ihn keiner mehr“. Bauern aus Kanada, wo bereits viel Genraps wächst, haben diese Erfahrung schon gemacht. Die Firma Langnese nimmt von dort schon keinen Honig mehr an.

Hierzulande könne nur „couragiertes Einschreiten das Blatt noch wenden“, sagt Grolm. Dabei haben sich viele Bauern ohnehin schon wieder von der Gen-Saat distanziert: Insgesamt waren dieses Jahr in der Republik 1.100 Hektar Fläche für Genmais vorgesehen. So viel waren bis April im Bundesregister gemeldet. Doch wurden davon 70 Prozent wieder gelöscht. Die Landwirte hätten häufig auf die Genkonstrukte verzichtet, weil die Nachbarn Druck ausübten, erklärt Tina Löffelbein von Greenpeace.

Grolm reicht dieser Erfolg der Genkritiker nicht. Die Bürger müssen „mit allen Konsequenzen deutlich machen, dass sie sich die Gentechnik nicht bieten lassen“, sagt er. Welche Folgen der „Tanz in den Mais“ hat? Grolm stellt sich auf „ein paar hundert Euro Strafe“ für die Aktivisten ein. Das Risiko werde aber auf viele Schultern verteilt – durch Bürgschaften. Inzwischen gibt es schon mehrere Finanziers.

Der Tanz in den Mais gehört zum Gentechnikfreien Wochenende am 30. und 31. Juli: www.gendreck-weg.de