Alle lieben Billigjobs

Die Wohlfahrtsverbände als größter Anbieter von Ein-Euro-Jobs in NRW ziehen die erste Hartz-Bilanz: Arbeitslose wollen arbeiten, aber Behörden und Arbeitsvermittler machen ihnen das Leben schwer

AUS DÜSSELDORF SUSANNE GANNOTT

Ein-Euro-Jobs sind beliebt bei Arbeitslosen, auch wenn die meisten nach einem halben Jahr wieder auf der Straße stehen. So lautet eine der Erkenntnisse aus zwei Umfragen der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW (LAG), die gestern in Düsseldorf vorgestellt wurden. „Wir fordern daher die Bundesregierung auf, die Diskussion über einen zweiten Arbeitsmarkt schnell zum Abschluss zu bringen“, erklärte Nikolaus Immer, Vorsitzender des Arbeitsausschusses der LAG. Es dürfe nicht sein, dass Arbeitslose nach sechs Monaten Ein-Euro-Job erkennen müssten: das war‘s.

Als positiv bewertet die LAG, dass mehr als 80 Prozent ihrer Ein-Euro-Jobs „freiwillig“ besetzt werden. Insgesamt bieten die LAG-Verbände Caritas, Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Diakonie und Paritätischer Wohlfahrtsverband in NRW rund 15.000 von landesweit 25.000 so genannten Arbeitsgelegenheiten an – vor allem in der Alten- und Behindertenhilfe. Viele Arbeitslose fragten von sich aus nach Arbeitsmöglichkeiten, teilweise gebe es sogar Wartelisten, so Immer. „Die Menschen wollen arbeiten.“ Und dass, obwohl ihre Vermittlungschance in den ersten Arbeitsmarkt nach den bisherigen Erfahrungen der Verbände lediglich fünf bis zehn Prozent beträgt. „Immerhin bekommen die Betroffenen so eine Chance. Früher hat sich oft jahrelang keiner um sie gekümmert.“

Allerdings konzentriert sich die Förderung inzwischen viel zu sehr auf die Ein-Euro-Jobs, kritisiert Immer. Sie seien offenbar zum bevorzugten Förderinstrument der Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Arbeitsagentur (ARGE) geworden. „Das schönt die Zahlen und ist schnell und günstig.“ Andere Möglichkeiten der Förderung wie Fortbildungen würden von den Arbeitsvermittlern dagegen oft nicht ausreichend geprüft.

Überhaupt bemängelt die LAG die „gravierenden Umsetzungsprobleme“ in den ARGEn. „In unseren Beratungsstellen erfahren wir viel Unmut von den Betroffenen“, sagte Immer. Viele klagten über unverständliche Bewilligungsbescheide, verweigerte Leistungsansprüche oder ungeklärte Zuständigkeiten. Darüber hinaus seien viele Arbeitslosengeld-II-Empfänger von Geldsorgen geplagt. „Wir haben 200 Prozent mehr Beratungsbedarf wegen finanzieller Probleme“, erzählte Hans-Peter Merzbach-Steinmann von der Caritas Düsseldorf. Das liege vor allem an der Pauschalierung von Leistungen, wodurch es für Extra-Ausgaben, etwa für einen neuen Kühlschrank, keine Einmalzahlungen mehr gibt. „Die meisten Menschen schaffen es einfach nicht, für solche Fälle Geld anzusparen“, so Merzbach-Steinmann.

Keine Probleme gibt es dagegen nach Ansicht der Wohlfahrtsverbände mit der befürchteten Verdrängung von regulärer Arbeit durch Ein-Euro-Jobs. „Das können wir bislang nicht feststellen“, betonte Immer. Trotzdem sieht auch er die Jobs als „zwiespältiges Instrument. Wir dürfen zwar nicht marktnah arbeiten, sollen aber für den Arbeitsmarkt qualifizieren.“