Die wahngewürzte Ursuppe als Suppenwürfel

Nationalepos ohne Blut und Verstand: Mit seiner Komödie „Siegfried“ nähert sich der Regisseur Sven Unterwaldt der Nibelungen-Saga

Eine mächtige Faust saust durch den Deckel des Weidenkorbs, der auf den Wellen des Rheins tanzt. Sie soll allen Ernstes dem Kind gehören, das gleich von einem quer ragenden Ast ins Wasser gefegt werden wird. Holz und Kopf, Mensch und Materie: Um mehr geht es nicht in Sven Unterwaldts Generalverflachung des Nibelungen-Stoffs. Bei dem Holzkopf Siggi (Tom Gerhardt) pappen die Begriffspaare so eng aneinander, dass sich kein Lindenblatt dazwischen schieben ließe. Das heimtückische Stück Flora, das der Sage nach dem Recken seine verletzliche Stelle bescherte, kommt im Film nicht vor – ebenso wenig wie die isländische Königin Brunhild. So fehlt „Siegfried“ neben vielem anderem jede tragische Dimension.

Zugegeben: Wenn sich der Regisseur von „7 Zwerge: Männer allein im Wald“ mit dem „voll normaaal“en „Hausmeister Krause“ über einen großen krausen Stoff hermacht, wird niemand dessen findige Zuspitzung erwarten, keinen zweiten Fritz Lang und nicht einmal eine Detailvergrößerung aus Uli Edels „Nibelungen“-Hochglanz-Panorama. Aber man darf zumindest darüber staunen, wenn in dieser rheinischen Mundartvariante des deutschen Nationalepos der Ball in Sachen Komik so flach gehalten wird, dass man sich schon freut, wenn der Baby-„Held“ einer Dorfschönen mit zwei Zügen beide Brüste platt saugt: Blopp! Dieser Gag ist überraschend und hat den Vorteil, dass er nicht dauernd neu aufgelegt wird.

Ohne Rast und Zwischenstopp muss der grienende Kraftkerl Siggi einen Gag nach dem anderen abschlurfen und hat dafür nichts an Gepäck dabei als die labbrige Tom-Gerhardt-Mimik und einen ganzen Sack voller ungläubiger „Aahs“ und Oohs“. Ein Einfall ist etwa, wie Hagens handgemacht aussehender Speer ganz groß im Bild erst auf Siegfried zufliegt und trifft. Dann sieht man ihn gleich wieder fliegen. Nur kickt der Speer an Siggis statt ein Schwein aus dem Leben. Und zu guter Letzt hat er auch das Tier verfehlt. Weshalb man seinen Zeitlupenflug noch ein drittes Mal verfolgen darf.

Apropos Schwein: Es spricht und sieht süß aus, ganz wie der jüngere Bruder von Rudi Rüssel und Babe. Es ist Siggis ständiger Begleiter, weil einer, der immer versehentlich Leute in den Boden rammt und Gebäude um ihre tragenden Teile bringt, einfach „Schwein haben“ muss, damit für alle ein Happy End dabei herausspringt. Unübersehbar der Versuch, mit dieser tierischen Zutat die wahngewürzte Nibelungen-Ursuppe zu einem familienkompatiblen Fond einzukochen. Dessen Geschmack wird dann aber prompt von den genitalen Witzen versaut. Immerhin fließt in diesem Film buchstäblich kein Tropfen Blut. Es klebt nur an den Händen des Schlachters, den Markus Maria Profitlich arg grimassierend spielt, weil das hier eben so Usus ist. Statt den zischenden Untergang einer alten Welt zeigen Unterwaldt-Gerhardt also den blutleeren Siegeszug des Guten. Und das so penetrant, dass man ihm gerne nie wieder begegnen würde. Ein Film allenfalls für Vollzeit-Sechzehnjährige mit dem Horizont eines Siggis und dem Gemüt eines – Schweins?

SABINE LEUCHT

„Siegfried“. Regie: Sven Unterwaldt. Mit Tom Gerhardt, Dorkas Kiefer, Volker Büdts u. a., Deutschland 2005, 93 Min.