Bush begrüßt Merkels US-Emissär

Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel reiste nicht selbst in die USA, um bei WählerInnen jedwede Irritation auszuschließen. Der garantierte Nichtaußenminister Schäuble übernimmt die Mission – und wird von Washington erstklassig behandelt

AUS BERLIN BETTINA GAUS

Aus dem Weißen Haus kommt sanfter Rückenwind für den Wahlkampf der Unionsparteien: In Washington hat US-Präsident George W. Bush den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble empfangen. Die Begegnung, die etwa 45 Minuten dauerte, war zuvor nicht öffentlich angekündigt worden. Schäuble, der im Auftrag von Kanzlerkandidatin Angela Merkel in die USA reiste, traf dort außerdem mit Außenministerin Condoleezza Rice und Sicherheitsberater Stephen Hadley zusammen – eine hochkarätige Runde für eine Stippvisite eines europäischen Oppositionspolitikers. Schäuble war begeistert: „Beachtlich“ sei das. Es zeige das Interesse der USA an guten Beziehungen zu Deutschland.

Die CDU-Vorsitzende kann mit der Arbeit ihres Emissärs zufrieden sein. Offiziell werden Terminprobleme als Grund dafür angegeben, dass Merkel nicht selbst nach Washington gereist ist, in Wahrheit aber dürften politische Überlegungen die entscheidende Rolle bei dieser Entscheidung gespielt haben. Auf dem Feld der Außenpolitik haben es Herausforderer grundsätzlich schwer gegen den Amtsbonus eines Regierungschefs – bei den transatlantischen Beziehungen ist das Terrain gegenwärtig besonders steinig.

Da die Politik der US-Regierung in Deutschland auch unter Anhängern der Union heftig umstritten ist, hätte ein betont gutes Einvernehmen der Kanzlerkandidatin mit dem US-Präsidenten der CDU-Kandidatin im Wahlkampf schaden können. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hatte aus seiner Reise nach Washington im letzten Wahlkampf keinen Nutzen ziehen können. Kritische Distanz zum Weißen Haus aber hätte Merkel leicht den Vorwurf eintragen können, sie versuche Gerhard Schröder nachzueifern, der 2002 mit Kritik am Irakkrieg bei den Wählern punkten konnte.

Die Äußerungen von Wolfgang Schäuble nach seinen Gesprächen in Washington lassen erkennen, dass er wusste, auf welch schmalem Grat er sich bewegte. Er erklärte zwar einerseits, George W. Bush eine „bessere Politik“ für den Fall eines Wahlsieges der Union angekündigt zu haben. Andererseits aber betonte der CDU-Politiker, dass auch strittige Themen zur Sprache gekommen seien – so die Frage eines EU-Beitritts der Türkei, den die USA wünschen, die Unionsparteien jedoch ablehnen.

Bereits vor seiner Abreise hatte Schäuble versichert, auch Angela Merkel werde als Kanzlerin keine deutschen Soldaten in den Irak schicken. In Washington wies er darauf hin, dass von US-Seite keine entsprechenden Anfragen gestellt worden seien. Kritisch äußerte sich Schäuble über die Art und Weise, in der sich die Bundesregierung um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat bemüht. Die dadurch entstandenen Konflikte hätten die Bemühungen um eine Gesamtreform der UNO erschwert. Die Union wolle alles daran setzen, innerhalb der EU und der UNO-Vollversammlung einen Konsens über die Frage herzustellen.

Angela Merkel hat nicht nur hinsichtlich des Ergebnisses der Schäuble-Reise Anlass zur Genugtuung. Sie hat es mit der Wahl ihres Gesandten auch vermeiden können, Personalspekulationen neue Nahrung zu liefern. Immerhin gehört Wolfgang Schäuble nicht zu der – beachtlich langen – Liste von Aspiranten auf das Amt des Außenministers. Wie viel Zündstoff das außenpolitische Personaltableau birgt, erwies sich gestern an einer Meldung des Handelsblatts, der zufolge Merkel plant, im Falle ihres Wahlsieges das Amt eines Europastaatsministers im Kanzleramt anzusiedeln: sofortiger Protest seitens der FDP.