Die Wüste sendet

Die islamische Welt soll von Dubai aus medial erobert werden – wünschen sich die Emirate. Mit Erfolg: Steuer-, Zoll- und Pressefreiheit haben der früheren Sandödnis einen Medienboom beschert

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Sparkurs? Personalabbau? Talsohle? Alles Fremdworte in dem winzigen Ölstaat Vereinigte Arabische Emirate (VAE). Allen sieben Scheichtümern voran strickt Dubai seit Mitte der 80er-Jahre an einem geradezu größenwahnsinnigen Masterplan der Zukunft – mit Erfolg. Weil das Öl in der eine Million Einwohner zählenden Hafenstadt in spätestens sieben Jahren versiegt, soll das Geld künftig aus anderen Quellen sprudeln. Diversifizieren, lautet das Motto. Nachdem sich in den Emiraten so genannte industrielle „Free Zones“, in denen ausländische Investoren abgabenfrei wirtschaften dürfen, als Hit erwiesen, lancierte der Emir von Dubai, Scheich Maktoum Bin Raschid al-Maktoum im Jahre 2000 auch eine „Technology and Media Free Zone“ – einen Freihafen für Internet- und Medienunternehmen. Wer hier investiert, bekommt was geschenkt: 50 Jahre lang Steuer- und Zollbefreiung sowie garantierte Freiheit.

Steuer- und Pressefreiheit

Die sich aufheizende politische Atmosphäre im Nachbarland Saudi-Arabien tut ihr Übriges. Viele internationale Unternehmen verlegen ihre Nahost-Repräsentanzen in die weltoffenen und unbürokratischen Emirate. Zurück in Riad bleibt oft nur ein Briefkasten. Anders als ihre tonangebenden Nachbarn regieren die VAE-Emire nach der Maxime: was gut für die Wirtschaft ist, ist gut für uns. Meinungsfreiheit inklusive.

Vor nur vier Jahren offiziell eröffnet, zählt der neue Medienstandort Dubai bereits an die 960 Medien- und 700 Internetfirmen. Darunter so illustre Namen wie CNN, Reuters, al-Arabia, CPI und die Bertelsmann-Tochter BMG. Das Beispiel macht in der Region bereits Schule: Im Januar kündigte Pakistans Informationsminister Scheich Raschid Ahmad an, in Islamabad einen ebensolchen Medienpark gründen zu wollen.

Unter dem stahlblauen Dubaier Himmel wachsen Palmen und exotische Blumen in penibel gepflegten Grünzonen. Lange Dächer schützen die zahllosen Autos amerikanischen Typs, die den Mitarbeitern der Medienstadt gehören, vor der sengenden Sonne. „Noch 1999 war hier nichts als Sand“, erzählt Jamal Abdul Salam, Direktor für Partnerrelations der Internet City. Mittlerweile seien 20.000 Jobs entstanden. Gesicherte Zahlen über Investitionen und Renditen sind nicht zu haben – wie immer in den Emiraten. Hier ist alles Familienbusiness. Egal, denn Geld und Wüste haben die Ölbarone mehr als genug. Schon in wenigen Wochen sollen zwei weitere Bürotürme dem internationalen Ansturm Obdach bieten.

Schon jetzt ist die Dubai Internet City einer der modernsten Büro-Cluster weltweit. Hightech wie Breitband- und IP-Telefonkabel sind in den glitzernden Gebäuden Standard. Bei Unternehmern besonders beliebt ist die „ein Fenster“-Philosophie der Free Zones: Alle Genehmigungen, Anträge, Gebühren lassen sich an einem einzigen Schalter binnen einer Woche erledigen. Neben Bars und Restaurants à la Americaine wurde auch an Hotels, Residenzen, Reisebüros und Drogerien gedacht.

Markt bis nach Indien

„Dubai Internet City hat uns auf die Weltkarte der IT-Industrie katapultiert“, schwärmt Wadi Ahmed, der jugendliche Marketingdirektor des Projekts. Die Fakten, meint er selbstbewusst, sprächen einfach für sich selbst. „Hier ist eine strategische Basis für Medienunternehmen, die die aufstrebenden Märkte vom Mittleren Osten bis hin zum Indischen Subkontinent, von Afrika bis zu den zentralasiatischen Ländern erreichen möchten.“ In dieser Region, rechnet er vor, leben 1,8 Milliarden Menschen mit einem Bruttosozialprodukt von rund 1,6 Billionen US-Dollar.

Die Großen sind alle da

Tatsächlich sind die Großen der IT-Branche schon da: Microsoft, Oracle, IBM, Compaq, Siemens, Canon, Sony Ericsson and Cisco, um nur die Wichtigsten zu nennen. Im Mai zog Dubai den größten Fisch an Land: Der amerikanische General-Electric-Konzern, der auch im IT-Geschäft aktiv ist, hat hier ab 2006 sein Middle-East-and-Africa-Hauptquartier.

In der Minderheit sind in der Mediencity bislang noch die eigentlichen Broadcaster. Von hier senden 40 Fernsehstationen ihre Programme über 80 Kanäle hinaus in die Welt, darunter Dubai TV, das mit der weltweit größten Reichweite vom Nord- bis zum Südpol wirbt. Und wie steht es mit der versprochenen Unabhängigkeit? „Ich arbeite hier seit anderthalb Jahren. Nie hat es auch nur den Hauch einer Einmischung seitens der Scheichs in unser Programm gegeben“, sagt Brahim Isem, ein marokkanischer Nachrichtenredakteur des Dubaier Senders. Tabu sei allerdings, das respektiere man, über das Privatleben der Scheichfamilien zu berichten.