Ärzte legen die Füße hoch

Am Freitag geht in der Charité gar nichts mehr. Die Ärzte am größten Uni-Klinikum Deutschlands streiken für mehr Geld und weniger Arbeit. Für die Patienten bleibt lediglich eine Notversorgung

von RICHARD ROTHER

Die Lohnabrechnungen von Juli und August zeigen es: Künftig müssen Beschäftigte wieder mit weniger Nettolohn auskommen – wegen der Gesundheitsreform. Ins Krankenhaus sollten sich die Versicherten aber zurzeit besser nicht einweisen lassen; sie könnten dort wegen möglicher Ärztestreiks länger als nötig liegen. Richtig ernst wird es erstmals am Freitag in der Charité. Dort treten die Ärzte in einen eintägigen Warnstreik. Operiert und behandelt wird nur das Allernötigste.

„Selbstverständlich werden wir an der Charité eine Notversorgung sicherstellen“, kündigte gestern der Bundesgeschäftsführer der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB), Armin Ehl, an. Alle Routine-Operationen würden verlegt, auch die Visiten auf den Stationen würden auf ein Minimum reduziert. „Die Ärzte sind längst an ihrem Limit angekommen“, begründet Ehl den Warnstreik. Die notwendigen Einsparungen an der Charité dürften nicht auf dem Rücken der Leistungsträger ausgetragen werden. Schon jetzt verrichte jeder Krankenhausarzt Überstunden, Dienste von 60, 70 oder gar 80 Stunden pro Woche seien an der Tagesordnung.

Um Kosten einzusparen, drohe ein massiver Abbau von ärztlichen Stellen durch das Auslaufen befristeter Verträge, kritisiert der Berliner Landesverband des Marburger Bundes in seinem Warnstreikaufruf. Dies führe zu einer nicht mehr hinnehmbaren Arbeitsverdichtung. Zudem bedeute das vorgelegte Sparprogramm eine Gehaltseinbuße für Ärzte von bis zu zehn Prozent.

Die Berliner Ärztekammer unterstützt den Protest. „Wir begrüßen es, dass Ärzte den Mut haben, auf die Straße zu gehen“, sagte Sprecherin Sybille Golkowski gestern. Oft seien die Kollegen wegen ihrer Zeitverträge bisher ängstlich gewesen. Nun sei die Streiklust an den Berliner Kliniken aber groß. Neben der Charité würden sich mit Sicherheit auch Ärzte der landeseigenen Vivantes-Kliniken beteiligen. In Berlin gibt es rund 8.300 Krankenhausärzte, davon rund 2.200 an der Charité. Mehr als 1.000 von ihnen werden am Freitag an der Charité im Ausstand erwartet.

Bei den anderen Berufsgruppen im Krankenhaus stoßen die Ärzte-Aktionen auf ein geteiltes Echo. Zu glauben, die Ärzte seien die einzigen Leistungsträger, die eine Gehaltserhöhung verdienten, sei borniert, sagt Ver.di-Gesundheitsexpertin Christa Hecht (siehe Interview unten).

Ärzte-Funktionär Ehl möchte das Tarifvertragssystem des öffentlichen Dienstes ohnehin lieber verlassen. „Wir streben ein ärzteeigenes Tarifsystem an.“ Dieses solle sich an den Vergütungen von Richtern oder Professoren orientieren. Der Warnstreik am Freitag jedenfalls werde den Charité-Vorstand aufwecken. Weitere Warnstreiks hält Ehl für unwahrscheinlich. Sollte der Vorstand nicht einlenken, drohe gleich die Ultima Ratio: der unbefristete Ausstand.