Heftige Debatte um Darwins Erbe

Evangelikale in den USA fordern, dass neben der Evolutionstheorie auch die Lehre vom „Intelligenten Design“ in Schulen vermittelt werden müsse

Manchmal hat Mark es an der Uni schwer. „Wenn wir über Darwin und die Evolution reden, bin ich lieber still“, sagt der 28-jährige Student. „Ich will keine aussichtslosen Diskussionen anzetteln.“ Als evangelikaler Christ ist Mark überzeugt, dass die Evolutionslehre falsch ist, weil sie der Schöpfungsgeschichte widerspricht. An der liberalen New York University steht er mit dieser Meinung jedoch fast allein.

Während die Evolutionstheorie an amerikanischen Universitäten nahezu unstrittig ist, gibt es an High Schools eine heftige Debatte um Darwins Erbe. In immer mehr Bundesstaaten versuchen fundamentalistische Christen, Einfluss auf die Lehrpläne der Schulen zu nehmen. Sie fordern, die Biologiebücher umzuschreiben. Neben Darwins Thesen müsste auch die vermeintlich wissenschaftliche Alternative „Intelligent Design“ (ID) gelehrt werden.

Im Gegensatz zu Kreationisten nehmen Anhänger der ID-Bewegung die Schöpfungsgeschichte nicht wörtlich. Sie erkennen an, dass die Erde Milliarden Jahre alt ist und das Leben auf ihr sich schrittweise entwickelte. Die heutigen Lebensformen seien jedoch so komplex, dass diese Entwicklung nicht ohne einen übergeordneten Plan, ein „intelligentes Design“, hätte stattfinden können. Hinter der natürlichen Entwicklung sei daher der Wille eines höheren Wesens erkennbar, argumentieren sie.

Zentrum der ID-Bewegung ist das „Discovery Institute“ in Seattle – eine Denkschule, die gegen den Neodarwinismus ankämpft. Mit finanzieller Unterstützung von evangelikalen Organisationen soll das Discovery Institute dafür sorgen, dass Amerikas Schüler über die „kontroversen Punkte“ der Evolutionstheorie aufgeklärt werden.

Unterstützung erhalten die Darwin-Gegner auch vom US-Präsidenten: Staatliche Schulen sollten nicht nur die wissenschaftlich begründete Evolutionstheorie lehren, sondern auch abweichende Theorien wie das mit religiösen Motiven argumentierende „Intelligent Design“-Konzept, sagte George W. Bush Anfang dieser Woche vor Journalisten. Schon als Gouverneur von Texas hatte sich Bush dafür ausgesprochen, Kreationismus und Evolution zugleich zu unterrichten.

Kritiker sehen in den Plänen eine Gefahr für die in der US-Verfassung festgeschriebene Trennung von Staat und Religion. 1987 hatte der Oberste Gerichtshof in einem Grundsatzurteil den Kreationismus aus den Klassenzimmern verbannt, weil es sich dabei um eine religiöse Vorstellung handle.

Nun befürchten viele, dass „Intelligent Design“ als trojanisches Pferd dienen könnte, mit dem Religion wieder in die staatlichen Schulen geschmuggelt werde. „Um die Entscheidung des Gerichts zu umgehen, benutzen sie nicht mehr die Wörter Gott oder Schöpfung, sondern nennen es Designer oder Planer“, erklärt Kenneth Miller, Biologieprofessor an der Brown University in Providence.

Miller ist gläubiger Katholik. Mit „Intelligent Design“ kann er trotzdem nichts anfangen. Für den Forscher ist es eine unzulässige Vermischung von Wissenschaft und Glauben. „In ihrem Kern ist ID eine wissenschaftsfeindliche Bewegung“, betont Miller. „Diese Leute sagen, was wir heute nicht erklären können, werden wir niemals verstehen, weil es von einer höheren Macht geschaffen wurde. Sie hören auf, Fragen zu stellen.“ Zudem unterschlagen ID-Anhänger laut Miller auch Fakten, die ihrer Überzeugung widersprechen.

Im September wird der Biologieprofessor daher den Seminarraum für kurze Zeit mit dem Gerichtssaal vertauschen. Als Hauptzeuge sagt Miller in einem Prozess aus, in dem entschieden wird, ob Kindern in Pennsylvania im Schuldistrikt Dover „Intelligent Design“ gelehrt wird oder nicht. Besorgte Eltern hatten gegen die Entscheidung des Schulrates geklagt, „alternative Theorien“ zur Evolution zu unterrichten. Ein Sieg vor Gericht wäre ein wichtiges Signal, meint Miller. „Das könnte die Ausbreitung von ‚Intelligent Design‘ erst mal verlangsamen.“ JAN PFAFF/EPD