„Bild“ schluckt Glotze

VON STEFFEN GRIMBERG

Mathias Döpfner hat sein Ziel erreicht: Bis Jahresende will die von ihm geführte Axel Springer AG die Senderfamilie ProSiebenSat.1 komplett übernehmen. Damit entsteht neben Bertelsmann eine zweite dominierenden Mediengruppe im deutschen Markt, die Zeitungen und Zeitschriften mit dem TV-Geschäft vereint. 2006 sollen beide Konzerne dann zu einem Unternehmen verschmelzen. Dessen Name: Axel Springer.

Gestern verkündeten beide Unternehmen in München den für Springer bis zu 4,2 Milliarden Euro teuren Deal. Rund 2,5 Milliarden Euro kassiert allein der US-Medienunternehmer Haim Saban, der die TV-Familie (ProSieben, Sat.1, Kabel 1, N 24) 2003 für rund 525 Millionen Euro aus dem insolventen Kirch-Imperium herausgekauft hatte. Der Rest geht an weitere Finanzinvestoren sowie die freien ProSieben-Sat.1-Aktionäre, falls diese sich vollständig auszahlen lassen.

„Springer ist der natürliche Käufer für ProSiebenSat.1“, sagte Springer-Chef Mathias Döpfner. Gemeinsam wolle man jetzt „das digitale Geschäft der Zukunft“ angehen. Die Übernahme muss noch von den Kartellbehörden und der Medienaufsicht genehmigt werden. Hierbei rechnet Döpfner aber kaum mit größeren Hindernissen: Zwar habe er „Respekt vor der unabhängigen Prüfung durch das Kartellamt“, doch schließlich sei 2001 auch die vollständige Übernahme der RTL-Sendergruppe durch den Bertelsmann-Konzern genehmigt worden.

Auch beim fusionierten Unternehmen liegt die Stimmrechtsmehrheit weiterhin bei Verlegerwitwe Friede Springer und der von ihr kontrollierten Axel Springer Gesellschaft für Publizistik.

Die Investoren um den bisherige ProSieben-Sat.1-Hauptaktionär Haim Saban haben durch den Deal gut verdient: „Mehr als ausreichend“ habe er abgeschnitten, sagte ein gut gelaunter Saban vor der Presse, „auch wenn das die dauernden Jet-Lags wegen der vielen Flüge aus den USA nach München nicht aufwiegen kann“. Saban selbst bleibt dem künftigen Unternehmen als Minderheitseigentümer und Chef eines noch zu bildenden TV-Beirats erhalten.

Döpfner versprach, am Management von ProSiebenSat.1 festzuhalten: Diese habe in den vergangenen zwei Jahren eine einmalige Erfolgsgeschichte geschrieben. „Wir wären ja verrückt, wenn wir an dieser Stammmannschaft etwas verändern würden“, sagte er.

Heftige Kritik an der Megafusion kam gestern von den Gewerkschaften und Medienexperten: „Das ist eine ungeheure Medienmacht, für Deutschland eine völlig neue Dimension“, sagte Horst Röper vom Formatt-Institut, der seit Jahren zu Fragen der Medienkonzentration arbeitet: „In vielen Ländern gibt es klare Regelungen, die solche Aktivitäten im Printmedienbereich und parallel im Rundfunk verhindern.“ Der Deutsche Journalistenverband (DJV) nannte den Deal „verheerend für die Meinungsvielfalt in Deutschland“. Selbst die FDP sprach von einem „ordnungspolitischen Sündenfall“. Die Übernahme sei ein Bruch mit der bisherigen medienpolitischen Geschichte in Deutschland. Die Grünen forderten eine genaue Prüfung hinsichtlich einer „konzentrationsrechtlichen Zulässigkeit“ und der „möglichen Entstehung einer vorherrschenden Meinungsmacht“.

Zustimmung kam dagegen erwartungsgemäß aus den Reihen der Union: Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) freute sich über die „klaren Stärkung des Medienstandorts Deutschland und Bayern“ und auf „neue Arbeitsplätze“. Der medienpolitische Sprecher CDU/CSU-Bundestagsfraktion Günter Nooke spielte die nationale Karte: Medienunternehmen sollten nicht mehrheitlich in ausländischem Besitz sein, sagte Nooke. Und forderte – mit Stoiber wohl nicht ganz abgesprochen – auch gleich eine Verlegung der Sendegruppe zum Springer-Hauptsitz nach Berlin.

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