Schönbohm will nicht zurücktreten

Auch CDU-Politiker fordern den Amtsverzicht des Landesministers wegen seiner Äußerungen zur Ost-Sozialisation

BERLIN dpa/ap ■ Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) trotzt der Kritik. „Natürlich trete ich nicht zurück“, sagte er gestern in Berlin. Auch in Monaten noch werde man ihn als Innenminister erleben. Schönbohm steht unter Druck, seit er die Säuglingsmorde in Frankfurt (Oder) mit den Verhältnissen im Osten in Verbindung brachte.

Seit gestern mehren sich die Stimmen, die Schönbohm einen Verzicht aufs Amt nahe legen. Mit Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre forderte erstmals ein CDU-Politiker indirekt einen Rücktritt. „Die Zeit Schönbohms ist abgelaufen. Er sollte über seine politische Zukunft nachdenken“, sagte Daehre.

Deutlichere Worte wählte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). „Was Schönbohm dort von sich gegeben hat, ist eine Form von Pseudo-Soziologie, die eine Beleidigung für die Menschen im Osten ist“, sagte er bei einer SPD-Konferenz in Kassel. „Der Mann kann es nun wirklich nicht, aber das ist ja nicht das erste Mal, dass das deutlich wird.“

Zuvor hatte bereits der SPD-Innenexperte im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, Schönbohms Rücktritt gefordert. „Herr Schönbohm sollte sich besinnen – und gehen“, stimmt ihm Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer zu. Mit seinen Äußerungen habe sich der CDU-Politiker völlig unglaubwürdig gemacht.

Rückendeckung immerhin gewährte Schönbohm Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Er wolle an seinem Innenminister festhalten, sagte er am Donnerstag. „Einen Fehler hat jeder frei.“

Der Auftakt zum Streit war die Festnahme einer Mutter aus Frankfurt (Oder). Sie hatte neun ihrer Säuglinge gleich nach der Geburt getötet. Schönbohm suchte nach Erklärungen für die Tat und sagte: „Ich glaube, dass die von der SED erzwungene Proletarisierung eine der wesentlichen Ursachen ist für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft.“ Selbst CDU-Politiker protestierten energisch. Am Donnerstagabend hat sich Schönbohm dann entschuldigt.

Auch Wissenschaftler melden sich nun zu Wort, um die Aussage des Ministers zu gewichten. „Das Risiko eines Kindes, bis zum Alter von sechs Jahren von seinen Eltern getötet zu werden, ist im Osten drei bis vier Mal höher als im Westen“, sagte der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, am Freitag. Es sei allerdings nicht belegt, dass die Wertevermittlung im SED-Regime der ausschlaggebende Faktor sei.