Gutachten: Brechmittel-Opfer offenbar doch ertränkt

Widersprechende Expertisen zur Todesursache von Laye Alama Condé. Stimmt „Ertrinken“, stellt sich die Frage nach der Schuld der Ärzte

Bremen taz ■ Der Ende vergangenen Jahres an den Folgen einer gewaltsamen Brechmittel-Vergabe durch die Bremer Polizei gestorbene Sierra Leoner Laye Alama Condé ist offensichtlich doch ertrunken. Zu diesem Ergebnis kommt ein zweiter Gutachter, der sich im Auftrag der Staatsanwaltschaft mit dem Todesfall beschäftigte. Auf Röntgenaufnahmen sei über die Atemwege in die Lunge gelangtes Wasser zu erkennen. Das habe – weil es das Blut verdünnt, eine „Wasserintoxikation“ hervorgerufen und die Sauerstoffaufnahme behindert habe – den schweren Hirnschaden verursacht, der wenige Tage darauf zum Tod des mutmaßlichen Dealers führte. Ein Mediziner des Ärztlichen Beweissicherungsdienstes hatte ihm Brechmittel und viel Wasser in den Magen gepumpt.

Das neue Gutachten, erstellt von einem emeritierten Professor für Anästhesiologie und Intensivmedizin und langjährigen Leiter einer Berliner Universitätsklinik, widerspricht in einem entscheidenden Punkt der Anfang Juni vorgestellten Expertise des Rechtsmediziners Volkmar Schneider von der Berliner Charité. Schneider hatte eigentlich die Todesursache klären sollen, war jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen. Er hatte lediglich auf eine unerkannte Herzschwäche des Polizeiopfers verwiesen, einen Tod durch Ertrinken – wie ihn Schilderungen des damals herbeigerufenen Notarztes nahe legten – allerdings definitiv ausgeschlossen. Der von Schneider hinzugezogene Radiologe habe kein Wasser in der Lunge feststellen können, hieß es damals.

Entsprechend ratlos gab sich daher gestern die Staatsanwaltschaft. Man werde Schneider mit dem neuen Gutachten konfrontieren und um eine Klärung der Widersprüche bitten, so Sprecher Frank Passade. Erst dann werde über den Fortgang der laufenden Verfahren entschieden. Derzeit ermittelt die Behörde sowohl gegen den behandelnden Polizeiarzt als auch gegen den herbeigerufen Notarzt wegen fahrlässiger Tötung.

Nach dem ersten Gutachten war die Staatsanwaltschaft von einer unglücklichen Verkettung mehrerer Faktoren ausgegangen. Juristen hatten daher mit einer Einstellung des Verfahrens gerechnet. Sollte der zweite Gutachter nun den ersten von seiner Version der Vorgänge im Bremer Polizeigewahrsam („nasses Ertrinken“) überzeugen – was in Fachkreisen durchaus als möglich gilt –, würden die beschuldigten Ärzte indes wieder stärker ins Visier der Staatsanwaltschaft rücken. Man müsse dann klären, ob sie das drohende Ertrinken des Polizeiopfers hätten erkennen können und „wo da gegebenenfalls Fehler unterlaufen sind“, sagte Passade. A. Simon