Leipziger Vererbungslehre in NS-Tradition

Chef der Deutschen Zentralstelle für Genealogie: Hitlers Bevölkerungspolitik war erfolgreich, Türken sind erblich dumm

BERLIN taz ■ Seit Jahren fischt der Humangenetiker Volkmar Weiss schon in trüben braunen Gewässern. Bislang fand sein Arbeitgeber, das sächsische Innenministerium, dass Weiss’ „vorliegende Publikationen sich ihm verfassungsmäßigen Rahmen bewegten“. Kürzlich erschien jedoch in der türkischen Tageszeitung Hürriyet ein Bericht über den Leiter der Zentralstelle Genealogie des Sächsischen Staatsarchivs. Anlass für das Innenministerium, dem das Staatsarchiv unterstellt ist, den Fall zusammen mit dem Verfassungsschutz auszuwerten, wie ein Sprecher der taz erklärte. Für disziplinarische Konsequenzen müsse geklärt werden, ob sich Weiss als Privatperson oder als Vertreter des Staatsarchivs äußerte.

Der Humangenetiker Weiss leitet seit 1995 die Deutsche Zentralstelle für Genealogie in Leipzig. Sein wissenschaftliches Interesse gilt unter anderem dem „Verfall der nationalen Begabung“. Schuld daran, so Weiss, seien vor allem türkische Migranten. Diese macht er für das schlechte Abschneiden Deutschlands bei Pisa verantwortlich.

Aus den Ergebnissen der Studie zieht Weiss Rückschlüsse auf den IQ-Wert der getesteten Schüler. So kommt er zu dem Ergebnis, „dass der mittlere IQ der Zuwanderer aus der Türkei nur bei 85 liegt“. Dafür seien jedoch keineswegs gesellschaftliche oder bildungspolitische Faktoren verantwortlich. „IQ-Werte und Pisa-Werte sind nicht nur Ergebnis von Mängeln und Erfolgen des Bildungssystems, sondern auch Ausdruck einer bestimmten genetischen Qualität der Bevölkerung“, schreibt der Genealoge in einer Veröffentlichung der rechten „Gesellschaft für freie Publizistik“. Die gleiche These vertritt er auch in seinem Buch „Die IQ-Falle: Intelligenz, Sozialstruktur und Politik“ anhand von „Zigeunern“ und „Negern“.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Ansicht mehr als umstritten, doch am rechten Rand kann Volkmar Weiss damit punkten. Für die NPD sitzt er in einer Enquetekommission des Sächsischen Landtags zur Demografischen Entwicklung. Sein Buch „Die IQ-Falle“ erschien im Grazer Leopold Stocker Verlag. Neben Kochbüchern und Wanderführern finden sich in dessen Programm auch Titel wie „Adolf Hitler – Mein Jugendfreund“ sowie „Rudolf Hess: Ich bereue nichts“.

Auch für die Deutsche Stimme und die Junge Freiheit steht Weiss oft als Interviewpartner und Gastautor zur Verfügung. Auf seiner privaten Homepage findet sich neben Auszügen aus der „IQ-Falle“ ein Vortrag, den Weiss 2004 bei der Jungen Union hielt. Vordergründig geht es darin um die bevorstehende „Rentenkatastrophe“. Seine größte Sorge aber gilt der „Bestandserhaltung“ der Deutschen.

Die Nationalsozialisten hätten dieses Ziel erreicht, lobt Weiss. „Politisch hatte man sich zwar viel höhere Ziele gesteckt, aber immerhin, man war nicht erfolglos.“ Er spricht sich daher für eine gezielte Bevölkerungspolitik aus. Denn, so Weiss, sinnlose, unbegrenzte Vermehrung gebe es nur noch im Tierreich – und bei der Familie Ussama Bin Ladens sowie jüdischen Fundamentalisten. Klingt, als wäre die Untersuchung des Falls mehr als überfällig. SARAH MERSCH