Sicher versteckt hinter Klostermauern?

Es spricht einiges dafür, dass der gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher Radovan Karadžić in Montenegro untergetaucht ist. Der Ex-Führer der bosnischen Serben könnte in einem Kloster Unterschlupf gefunden haben. Da hat die Polizei nie nachgeguckt

AUS NIKŠIĆ ERICH RATHFELDER

Schon an der Grenze zu Bosnien sind die „Schwarzen Berge“ von Montenegro schroff und unzugänglich. Fast senkrecht ragen die Felsen zu beiden Seiten des Tales des Piva-Flusses in den Himmel. Nach einigen Kilometern führt die Straße bergan und gibt den Blick frei auf eine gewaltige, fast unbewohnte Gebirgslandschaft. Einige Dörfchen, Kirchen und Klöster kleben wie Waben an den Felswänden.

Hier, in diesem Gebiet, soll sich Radovan Karadžić, der vom UN-Tribunal in Den Haag gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher, aufhalten. Angesichts der verstärkten Aktivitäten, ihn festzunehmen, ist das Terrain in Bosnien zu heiß geworden. In seiner Heimat Montenegro ist er vor dem Zugriff der internationalen Truppen sicher.

Doch seit dem Aufruf seiner Frau Ljiljana und seines Sohnes Sascha, sich dem UN-Tribunal freiwillig zu stellen, kursieren Gerüchte, Karadžić verhandele schon über die Modalitäten seiner Übergabe. Und Informationen über ein Treffen der Chefs der Geheimdienste Montenegros und Serbiens, Duško Marković und Rade Bulatovic, sowie des Chefs der CIA für den Balkan in Kolašin nähren diese Gerüchte.

Über montenegrinische Regierungskreise sickerte durch, Karadžić halte sich in einem Kloster versteckt. Auf der Straße in Richtung der Provinzhauptstadt Nikšić geschieht Ungewöhnliches. Plötzlich haben die Journalisten das Eindruck, von Autos verfolgt zu werden. An der Rezeption des Hotels tauchen Männer auf, die sich die Daten der Neuankömmlinge geben lassen. Immer wieder sind einsame Gäste im Café zu bemerken, die versuchen, Gesprächsfetzen aufzufangen.

Befürchtet jemand, die Journalisten könnten den Aufenthaltsort des Gesuchten selbst herausfinden? Der schnauzbärtige Polizei- und Sicherheitschef des Ortes, Duško Koprivica, ist überrascht über den Besuch. Niemand würde ab jetzt die Journalisten behindern, sagt er dann zu. Von Verhandlungen mit Karadžić will er nichts wissen. Und natürlich hat er keine Ahnung, wo sich der Gesuchte aufhält. „Wenn wir es wüssten, würden wir zugreifen“, erklärt der Polizist, der seit 30 Jahren alle Regime überdauert hat. „Wir haben genug Leute, um das zu tun.“

Kein Zweifel, die hat er. Doch werden sie auch zu diesem Zwecke eingesetzt? Fast eine Stunde dauert die Fahrt über einen Bergpass nach Šavnik und Petnijca, dem Geburtsort des Gesuchten. Von Bergen umschlossen, 1.000 Meter über dem Meer, liegt das abgeschiedene Dorf. Keine Menschenseele ist zu sehen. Auf dem Friedhof befinden sich nur Gräber mit dem Namen Karadžić.

Im drei Kilometer entfernten Šavnik betont der 32-jährige Polizeichef des Ortes, ihm würde keine Bewegung entgehen. „Hier ist der Gesuchte sicher nicht.“ Doch er bestätigt, dass die Polizei in keines der nahe gelegenen Klöster gegangen ist. Hier seien die Leute gläubig. Polizei im Kloster käme Gotteslästerung gleich.

Die serbisch-orthodoxe Kirche in Montenegro verfügt nach wie vor über großen Einfluss. 40 Prozent des Landes gehören ihr. Nach wie vor bekommt sie viele Schenkungen, auch aus dem Ausland, sie gilt als reich. Davon zeugen die kürzlich renovierten Klöster und Kirchen in der Region. Nur sieben Kilometer von Nikšić entfernt befindet sich der Bischofssitz – das hoch in den Bergen gelegene Kloster Ostrog. Kommt dem Metropoliten Amfilohije in dem Konflikt um Karadžić eine Schlüsselrolle zu? Befindet sich Karadžić in seiner Nähe?

Die Schotterstraße ist schmal, die zu dem erst vor sieben Jahren gebauten Ableger des Klosters Ostrog, nach Jovanov Do, führt. Der weitläufig angelegte Gebäudekomplex ist auf allen Seiten von steil aufragenden Felswänden gesichert. Nur einen Zugang gibt es zu diesem Ort, ein aus dicken Holzbohlen gefertigtes Tor. In der Tat ein ideales Versteck. Niemand außer der Kirche weiß, wer hier lebt. Und die Polizei war niemals hier.

Der Metropolit dementiert alle Gerüchte und verwahrt sich dagegen, Karadžić und sein Kloster in Verbindung zu bringen. Was aber heute eine Lüge genannt wird, könnte morgen als geschickte Politik gelten. In Montengro scheint in Bezug auf Karadžić etwas in der Luft zu liegen.