Die falsche Wohnung gestürmt

Rechtsanwältin steht wegen Widerstand vor Gericht. Verfahren wird aber ausgesetzt. Anzeige gegen Polizisten wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung liegt auf Eis

Für Amtsrichter Olaf Beier ist es schon beim bloßen Studium der Akten offenkundig geworden, „dass der Einsatz wohl sehr unglücklich gelaufen ist“. Und da die beteiligten Polizisten die Aussage verweigern, um sich nicht selbst zu belasten, hat der Prozess gegen die Rechtsanwältin Ursula Ehrhardt wegen „Widerstand“ gegen Polizeibeamte laut Beier nicht nur einen „komischen Beigeschmack“, sondern müsste eigentlich eingestellt werden.

Doch dazu mochte sich der Altonaer Richter dann doch nicht durchringen. In der Hoffnung, die Polizisten könnten noch irgendwann gesprächig werden, setzte er gestern das Verfahren nur auf unbestimmte Zeit aus.

In der Nacht zum 16. August 2004 um kurz nach Mitternacht hatten vier Polizisten bei Ehrhardt an der Wohnungstür geklingelt. Eine Anwohnerin hatte eine „Ruhestörung“ angezeigt, da im Hof eine Flasche zerbrochen war. Da Ehrhardts Fenster zum Hof offen stand, schlussfolgerten die Beamten, dass der Unruheherd bei ihr zu finden sei.

Als die unsanft Geweckte verschlafen die Tür öffnete, begehrten die Polizisten sofort Einlass, was die Juristin unter Hinweis auf die Unverletzlichkeit der Wohnung verwehrte. Mit den Worten: „Wir kommen in jede Wohnung, in die wir wollen“, so Ehrhardt, seien die Beamten in die Wohnung „gestürzt“ und hätten sie zu Boden gerissen, wogegen sie sich gewehrt habe.

Mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt und nur mit einem Bademantel bekleidet, wurde sie für eine Blutprobe zum Polizeirevier gebracht. Auf der Wache habe man ihr noch den Gürtel abgenommen, so dass der Bademantel halb offen stand. „Demütigungen und Schikanen im Polizeigewahrsam sind mir als Strafverteidigerin zwar nicht neu, doch das war entwürdigend“, sagt Ehrhardt.

Erst danach hätten die Polizisten wohl gemerkt, dass sie sich mit einer Anwältin angelegt hatten. „Ich fürchte, den Einsatzkräften ist klar geworden, dass etwas schief gelaufen ist“, vermutet Ehrhardt. „Denn ein Grund zum Erscheinen ist noch kein Grund, eine Wohnung zu betreten.“ Deshalb habe die Polizei versucht, im Nachhinein eine Legitimation für den Grundrechtseingriff zu finden, indem ein Anlass für einen „Gefahrenerforschungseingriff“ konstruiert wurde. Doch davon seien die Polizisten damals selbst gar nicht ausgegangen, erinnert sich Ehrhardt: „Wenn keine Gefahr vermutet wird, kann auch keine Gefahr erforscht werden.“

Das Verfahren gegen die Polizisten wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung und Freiheitsberaubung liegt zurzeit beim Generalstaatsanwalt zur Prüfung. Notfalls werden Ehrhardts Änwälte Jan Mohr und Johannes Santen ein Verfahren durch eine Klage beim Oberlandesgericht erzwingen. Mohr: „Die rechtlichen Gründe für den Einsatz fehlten.“ KAI VON APPEN