Der letzte Pfiff

Abschied von der schönen Prinzessin Isabella: Mit Ilse Werner stirbt das vorletzte Küken des NS-Films

Loriots legendärer Kunstpfeifer, ein Anhänger avantgardistischer Aufführungspraxis, hätte für seine Kollegin Ilse Werner nur Missbilligung übrig gehabt: „Was für ein gemeiner Ton!“ Anders nämlich als er traf sie jede Note in vollendeter Klangreinheit. Ilse Werner war gewissermaßen die Frau mit der eingebauten Meise: Kaum einen Film gibt es, kaum einen Fernsehauftritt, bei dem sie nicht Wünsche nach Gepfiffenem zu erfüllen hatte.

Womöglich hat ihr die flagrante Pfeiferei die eine oder andere schöne Rolle vermasselt. Dabei war das Filmdebüt der 1921 als Tochter eines niederländischen Kaufmannes und einer Deutschen auf Java geborenen Ilse Werner so glanzvoll wie facettenreich: In „Münchhausen“ war sie als Prinzessin Isabella so glamourös wie kaum eine Hollywood-Diva, in „Große Freiheit Nr. 7“ bewies sie spröden Tiefgang, in „Wir machen Musik“ ganz undeutsche Leichtigkeit.

Ihre Mitwirkung am Ufa-„Wunschkonzert“ allerdings bescherte ihr nach dem Krieg ein kurzfristiges Berufsverbot. Später setzte sie sich mit dem Unterhaltungs- und Ablenkungsapparat des Nationalsozialismus in Horst Königsteins TV-Reihe „Haus Vaterland“ auseinander.

Im Nachkriegsfilm fand Ilse Werner nur selten Beschäftigung – mit der Folge, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung zwei Ilse Werners gibt: die ranke Schöne aus dem Traumkino der Bombennächte und die dralle, pfeifende Dame. In der Nacht zum Montag ist Ilse Werner 84-jährig in Lübeck gestorben. Von den Filmdiven, deren Karriere in den Spätzeiten des NS-Films begann, lebt nur noch Margot Hielscher. Eine Ära geht zu Ende. RKR