Gentech-Mais per Gerichtsbeschluss

Der Biotech-Konzern Monsanto will Landwirtschaftsministerin Renate Künast zwingen, den Genmais MON 810 zuzulassen. Helfen soll eine Klage vor dem Verwaltungsgericht in Hannover. Denn der Gentech-Konzern sieht sich durch EU-Recht gestützt

VON WOLFGANG LÖHR

Es ist das allererste Mal: Ein Biotech-Konzern zieht vor Gericht, um die Zulassung für gentechnisch verändertes Saatgut zu erzwingen. Die US-Firma Monsanto klagt vor dem Verwaltungsgericht Hannover gegen das Bundessortenamt, das die Gentech-Maissorte MON 810 nicht genehmigen will.

Monsanto hat es eilig. „Wir hoffen, dass noch im August eine Entscheidung gefällt wird“, sagt Firmensprecher Andreas Thierfelder gestern. „Um für nächstes Jahr ausreichend Saatgut zu bekommen, müssen wir spätestens Ende August entscheiden, wie viel wir davon in Chile produzieren müssen.“ Zentrale Eigenschaft der neuen Sorte: Sie ist gegen Insektenfraß widerstandsfähig und senkt so den Pestizideinsatz.

Mitte Juni schon hatte das Unternehmen beim Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt: „Es gibt keine rechtlichen Hürden mehr, um die Sortenzulassung zu verweigern“, ist sich Thierfelder sicher. Das sieht das Bundeslandwirtschaftsministerium anders, dem das Sortenamt unterstellt ist. „Es fehlen die gentechnikrechtlichen Voraussetzungen“, erklärte gestern Staatssekretär Alexander Müller.

Die Streitfrage ist rechtlich äußerst kompliziert: Der Gentech-Mais hatte bereits 1998 eine europaweite Zulassung als Lebensmittel und Futtermittel bekommen. In Spanien wurde er in den letzten Jahren auch schon kommerziell auf größeren Flächen angebaut. Die Zulassung erfolgte jedoch noch nach altem EU-Recht. Mittlerweile wurden die europäischen Gentechnikvorschriften jedoch überarbeitet; für „Altprodukte“ gilt eine zeitlich beschränkte Übergangsregelung: Alle schon zugelassenen Produkte mussten bis Ende 2004 bei der EU-Kommission erneut registriert werden. „Das hat Monsanto auch gemacht“, gesteht Staatsekretär Müller zu, „jedoch erfolgte nur eine Registrierung für die Verwendung als Lebens- und Futtermittel.“ Eine Anmeldung als „Saatgut“ sei aber nicht erfolgt. „Also dürfen wir die Sortenzulassung gar nicht erteilen“, beharrt Müller auf den rechtlichen Formalien.

Monsanto hingegen verweist auf einen Eintrag der EU-Kommission in dem Register für Gentechprodukte, das per Internet öffentlich zugänglich ist. Dort habe die Kommission nachträglich klargestellt, dass die „Notifizierung“ von MON 810 auch die Verwendung als Saatgut umfasse. Für Müller ist dieses Register jedoch „kein Verwaltungsakt“ und damit „rechtlich nicht bindend“. Entscheidend bleibe die offizielle Anmeldung, und da fehle „das Saatgut“.

Für Monsanto ist diese Interpretation unverständlich. „Wir hatten uns längst darauf geeinigt, dass das Bundessortenamt die Maissorten mit dem Genkonstrukt MON 810 zulassen werde“, erläutert Monsanto-Sprecher Thierfelder. Als Termin hätte man sich auf Ende Mai geeinigt, nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Doch nun, mit dem erneuten Wahlkampf, „war davon plötzlich keine Rede mehr und die eigentlich ausgeräumten Streitpunkte kamen wieder auf den Tisch“.

Mehrere Gentech-Sorten stehen beim Bundessortenamt noch zur Zulassung an. Zum Teil wurden auch bei ihnen die Genehmigungen ausgesetzt – auch auf Weisung des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Das Verfahren in Hannover gilt als offen. Sollte das Verwaltungsgericht allerdings der Argumentation des Landwirtschaftsministeriums folgen und den Antrag auf Sortenzulassung verweigern, könnte das für Monsanto bitter werden. Denn dann wäre auch der Anbau von MON 810 in Spanien eigentlich nicht rechtens.