Gespaltener Rat

Iran habe das „Recht zur Entwicklung der Atomenergie zu friedlichen Zwecken“

VON ANDREAS ZUMACH

Die Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien hat nach wie vor keine offizielle Haltung zur teilweisen Wiederinbetriebnahme der iranischen Atomanlage Isfahan. Der seit Dienstag tagende Gouverneursrat der IAEO, dem 35 Staaten angehören, sagte seine für gestern geplante Sitzung wegen tief greifender Meinungsverschiedenheiten ab.

Klar ist nach den bisherigen, zum Teil heftigen Diskussionen lediglich, dass eine eventuelle Resolution des Rates, die nur per Konsens verabschiedet werden kann, keine der Punkte enthalten wird, die die Bush-Administration und europäische Politiker seit Tagen öffentlich fordern: weder den Vorschlag von Sanktionen gegen Teheran noch die Anrufung des UNO-Sicherheitsrates und auch keine Verurteilung der jüngsten iranischen Aktivitäten.

Auch in der letzten Fassung des vom EU-Trio Frankreich, Großbritannien und Deutschland formulierten Resolutionsentwurfs, der der taz vorliegt, kommt keiner dieser drei Punkte vor. Darin wird lediglich „ernsthafte Besorgnis“ ausgedrückt über die Wiederaufnahme der Umwandlung von Roh-Uran in Hexafluoridgas in der Atomanlage Isfahan. Iran wird aufgerufen „alle Aktivitäten, die mit der Urananreicherung zusammenhängen, wieder auszusetzen“.

Der Entwurf des EU-Trios stellt auch fest, die IAEO habe bislang „noch nicht zu der Feststellung gelangen können, dass es im Iran keine Materialien oder Aktivitäten gibt, die gegenüber der IAEO nicht deklariert wurden“. Iran ist unter dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) verpflichtet, alle Anlagen zur atomaren Energiegewinnung und die darin betriebenen Aktivitäten gegenüber der IAEO zu deklarieren und diese Anlagen für regelmäßige Kontrollen sowie für Verdachtsinspektionen durch die IAEO zu öffnen. Gegen diese Verpflichtung hatte Iran seit Beitritt zum NPT vor 19 Jahren mehrfach verstoßen.

Zu Beginn der Sitzung des Gouverneursrates in Wien am Dienstag hatte eine von Malaysia angeführte Gruppe von Ländern des Südens in einer gemeinsamen Erklärung bekräftigt, dass Iran selbst mit einer (bislang noch nicht erfolgten) Wiederaufnahme des Verfahrens der Urananreicherung nicht gegen den NPT verstoße. Iran habe im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags das „unwiderrufbare Recht zur Entwicklung der Atomenergie zu friedlichen Zwecken“.

Die Vertreter Brasiliens und Argentinien, die (wie auch Südafrika und Südafrika) ebenfalls Urananreicherung betreiben, wandten sich in der Debatte entschieden gegen „Sonderrestriktionen“ für Iran. Auf Widerspruch stieß auch die öffentliche Behauptung der Regierungen des EU-Trios, Teheran verstoße gegen die „Pariser Vereinbarung“ vom 15. November letzten Jahres.

Nach Darstellung des EU-Trios habe sich Teheran darin zur Suspendierung der Umwandlung und Anreicherung von Uran „verpflichtet bis zum Abschluss eines Kooperationsabkommens mit der EU“.

Tatsächlich hatte sich Teheran damals lediglich „freiwillig bereit erklärt“, diese nuklearen Aktivitäten „für die Dauer der Verhandlungen mit der EU vorübergehend“ zu suspendieren – „für wenige Monate“, wie der damalige iranische Chefunterhändler Rowhani bei der Bekanntgabe der „Pariser Vereinbarung“ vom 15. November erklärt hatte.

Die Mitglieder des Gouverneursrates der Internationalen Atomenergiebehörde, die jeweils auf zwei Jahre von den 138 Mitgliedsstaaten der IAEO gewählt werden, sind für 2004/2005: Algerien, Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, China, Deutschland, Ecuador, Frankreich, Ghana, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Jemen, Kanada, Mexiko, Niederlande, Nigeria, Pakistan, Peru, Polen, Portugal, Russland, Singapur, Slowakei, Südafrika, Südkorea, Sri Lanka, Schweden,Tunesien, Ungarn, USA, Venezuela und Vietnam.