Schmierige Geschäfte mit der UNO

Die Volcker-Kommission ermittelt gegen 2.250 Unternehmen im Zusammenhang mit dem Irak-Programm „Öl für Nahrungsmittel“. Bleiben in den Skandal verwickelte Diplomaten von Mitgliedern des Sicherheitsrates weiterhin verschont?

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Gegen die Hälfte der rund 4.500 Unternehmen aus aller Welt, die zwischen 1996 und 2003 Aufträge der UNO im Rahmen des Irak-Programms „Öl für Nahrungsmittel“ (ÖfN) erhielten, wird wegen Bestechung oder verbotener Zahlungen an das Regime von Saddam Hussein ermittelt. Das teilte Richard Goldstone, eines der drei führenden Mitglieder der Volcker-Untersuchungskommission, am Dienstag mit. Nachdem UNO-Generalsekretär Kofi Annan Anfang der Woche die diplomatische Immunität der beiden der Korruption beschuldigten früheren UNO-Beamten Benon Sevan, Ex-Chef des ÖfN-Programms, und Alexander Jakowlew aufgehoben hat, wird unter UNO-Mitarbeitern die Frage gestellt, ob die in den Skandal verwickelten UNO-Diplomaten von Mitgliedstaaten des Sicherheitsrates auf Dauer verschont bleiben. Diese Frage gilt insbesonders dem früheren britischen UNO-Botschafter in New York, John Weston, der an der Manipulation des ÖfN-Programms aktiv beteiligt war und der dessen ehemaligen Leiter Sevan überdies jahrelang gedeckt hat.

Laut Goldstone hat die Volcker-Kommission rund 2.250 Unternehmen in zehn Ländern schriftlich zur Stellungnahme aufgeordert. Den meisten Firmen wirft die Kommission vor, sie hätten beim Erwerb von irakischem Öl oder beim Verkauf humanitärer Güter an Bagdad illegale Preisaufschläge oder -abschläge mit dem Regime von Saddam Hussein vereinbart, wodurch diesem insgesamt rund 2,2 Milliarden Dollar zugeflossen seien.

Die politische Verantwortung für die Durchführung des ÖfN-Programm lag beim Sicherheitsrat. Der zyprisch-britische Doppel- staatsbürger Joseph Stephanides war als Mitarbeiter des Rates zuständig für die Auswahl und Kontrolle der Banken und Inspektionsfirmen, an die die UNO Aufträge zur Abwicklung und Überwachung des ÖfN-Programms vergab. Unter klarem Verstoß gegen die UNO-Regeln schanzte Stephanides 1996 der britischen Lloyd’s Register einen lukrativen Auftrag zur Überwachung der Importe humanitärer Güter in den Irak zu, obwohl eine französische Konkurrenzfirma ein günstigeres Angebot unterbreitet hatte. Wegen dieses Vergehens wurde Stephanides bereits im ersten Bericht der Volcker-Kommission von Anfang Februar dieses Jahres belastet. Er wurde umgehend von Annan suspendiert und hat die UNO seitdem verlassen.

Laut dem Bericht der Volcker-Kommission handelte Stephanides bei der Auftragsvergabe an Lloyd’s Register in enger Zusammenarbeit mit einem nicht namentlich genannten „britischen UNO-Diplomaten“. Dabei handelt es sich um John Weston, Londons UNO-Botschafter von 1995–98. Unter anderem gab Weston Lloyd’s Register in einem Schreiben vom 9. August 1996 gezielte Hinweise, wie der UNO-Auftrag zu gewinnen sei. Er habe „auf ministerielle Anweisung aus London gehandelt“, so Weston auf Nachfrage. Kritiker seines Verhaltens beschied er, sie hätten „keine Ahnung von der Praxis diplomatischer Vertretungen“.