Unruhen im iranischen Kurdistan

Nach der Ermordung eines bekannten Gegners des Mullah-Regimes in Mahabad kommt es seit Wochen zu Protesten und Zusammenstößen in mehreren Städten. Dabei sollen zwanzig Menschen getötet und hunderte festgenommen worden sein

„Es reicht nicht,dass Europa wegendes Atomprogramms Druck macht“

AUS KOISANJAK INGA ROGG

Der neue iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist gleich bei seinem Amtsantritt auch innenpolitisch unter Druck geraten. Bei Kämpfen mit der PKK, die im Grenzgebiet mit der Türkei operiert, wurden sieben Sicherheitskräfte getötet. Vor allem setzen ihm aber die Unruhen unter den iranischen Kurden zu. Dabei sollen in den vergangenen Wochen 20 Kurden und getötet worden sein.

Zu den bislang schwersten Zusammenstößen kam es in der Kleinstadt Saqez in der Nähe der iranischen Grenze, wo nach Berichten von Augenzeugen in den vergangenen Tagen mindestens 13 Demonstranten getötet und mehr als 70 Personen verletzt wurden. Mehre hundert Regimegegner, unter ihnen zahlreiche Journalisten und Menschenrechtler, sind nach Angaben von Oppositionsgruppen verhaftet worden.

Was sich in der Region genau zuträgt, ist schwer zu beurteilen. Staatsnahe iranische Medien haben kurzerhand „Hooligans“ und „Anarchisten“ für die Ausschreitungen verantwortlich gemacht, bei denen auch Geschäfte und Regierungsgebäude beschädigt wurden. Ausgelöst wurden die Unruhen vor knapp vier Wochen, als iranische Sicherheitskräfte in der Stadt Mahabad einen bekannten Regimegegner ermordeten. Die Stadt inmitten der Berge ist seit der Ausrufung der Republik Kurdistan Mitte der 40er-Jahre eines der wichtigsten Symbole des kurdischen Nationalismus. Wie ein Lauffeuer breiteten sich die Proteste von Mahabad auf andere Städte im iranisch-irakischen Grenzgebiet aus.

Für den kurdischen Oppositionspolitiker Mustafa Hejri ist das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte ein Rückfall in die Zeiten, da Oppositionelle vom Regime gnadenlos verfolgt wurden. „Ahmadinedschad ist berüchtigt für seine Skrupellosigkeit“, sagt Hejri. „Von ihm können wir keine Kompromisse erwarten.“

Hejri ist Vorsitzender der Demokratischen Partei Kurdistans/Iran (KDPI), der ältesten und größten der iranisch-kurdischen Oppositionsparteien. Jahrelang hat die KDPI zuerst gegen den Schah und später gegen das Mullah-Regime einen Guerillakrieg geführt. Als Chef der Revolutionswächter in Kurdistan war Ahmadinedschad für das harte Vorgehen des Chomeini-Regimes gegen die Oppositionellen verantwortlich. Bei den Kurden des Iran steht er zudem in Verruf, einer der Schlüsselfiguren im Mord am damaligen KDPI-Vorsitzenden Abdul Rahman Ghassemlou 1989 in Wien gewesen sein. Genau zum Jahrestag der Ermordung von Ghassemlou sind jetzt die Unruhen in Kurdistan ausgebrochen.

Heute setze seine Partei vor allem auf zivile Widerstandsformen, sagt Hejri in Koisanjak. Am Rande der Stadt rund 100 Kilometer östlich der irakisch-kurdischen Hauptstadt Erbil unterhält die KDPI seit gut zehn Jahren ihr Hauptquartier. Die Errungenschaften der irakischen Kurden sind heute auch das politische Vorbild für die schätzungsweise 6 Millionen Kurden des Iran. Ob die Wahl von Dschalal Talabani zum irakischen Präsidenten oder Masud Barsanis zum Präsidenten Kurdistans – ausgiebig wurden die Erfolge jedes Mal auf der anderen Seite der Grenze gefeiert. Angestachelt von der weitgehenden Autonomie der irakischen Kurden haben die iranischen Organisationen den Föderalismus mittlerweile zur zentralen Forderung erhoben.

Ein UNO-Bericht hat das Regime in Teheran bezichtigt, die ethnischen und religiösen Minderheiten bei der Vergabe von Ressourcen zu benachteiligen. Historisch von Kurden bewohnte Regionen würden besonders unter der mangelnden Wasser- und Stromversorgung leiden, heißt es in dem vorläufigen Bericht für die UN-Menschenrechtskommission.

Hejri fordert deshalb ein Umdenken der europäischen Politik. „Es reicht nicht, dass Europa wegen des Atomprogramms Druck macht“, sagt Hejri. „Die Menschen- und Minderheitenrechte sind genauso wichtig.“ Die Europäer sollten endlich Farbe bekennen, verlangt der 59-Jährige, und sich entschieden hinter die Oppositionsbewegung stellen. Dabei sollten die Europäer gegebenenfalls auch vor Sanktionen gegen das Regime in Teheran nicht zurückschrecken. Allerdings keine, die die eh schon verarmte Mehrheit treffen, sondern eine Verschärfung der Waffen- und Technologiesanktionen, um das Regime zu isolieren.

Obwohl er den Irak-Einsatz der Amerikanern begrüßt, lehnt er einen Militärschlag gegen Iran ab. „Wir können den Wandel von Innen heraus erreichen“, sagt Hejri. Dazu müssten die Europäer und Amerikaner politisch an einem Strick ziehen. „Ohne die Unterstützung Europas stehen wir auf verlorenem Posten.“