Wahlleiter gegen Linke?

Nicht gegendarstellungsfähig (XV): Eine Nichtzulassung der Linkspartei nutzt allen anderen. Das wird kommen

Man sollte stets in die Zukunft schauen: Die 5-Prozent-Klausel, das Bundeswahlgesetz und das darin und angeblich im GG verankerte Prinzip der Parteiendemokratie verbieten Listenverbindungen unterschiedlicher Parteien. Damit das nicht umgangen werden kann, wird auch verboten, faktisch Listenverbindungen einzugehen, indem auf einem Listenvorschlag, der formal von einer Partei stammt, materiell Vertreter mehrerer Parteien aufgestellt werden.

Damit nicht von einer faktischen Listenverbindung ausgegangen werden kann, müssen die Listen bei Entstehung und Besetzung ganz überwiegend von Parteimitgliedern bestimmt und besetzt worden sein.

Nach Presseberichten haben konservativ gewirkte Exbundesverfassungsrichter den Wahlvorschlägen der PDS/Linkspartei bereits Missbrauch des Wahlrechts vorgeworfen. Die Landeswahlleiter haben für die kommende Woche Beratungen dazu angekündigt. Nach weiteren Presseberichten sollen beispielsweise auf der Liste der PDS in Hessen sechs von 20 Listenkandidaten aus der WASG stammen, in anderen Bundesländern werden die Listen von WASG-Leuten geführt, und eine Mehrzahl von WASG-Leuten, oder solchen, die der WASG zugerechnet werden können, besetzen die ersten, aussichtsreichen Listenplätze.

Nach dieser Orchestrierung wird uns alsbald die Mitteilung ereilen, dass einzelne Landeswahlleiter in Ländern der alten Bundesrepublik die Liste der Linkspartei nicht zulassen. Das wird einen echten Sturm im Wahlkampf auslösen.

Das beeinflusst und gefährdet nicht nur die Teilnahme der Linkspartei bundesweit (weil es deren Bundesanteil massiv verzerrt), sondern beeinflusst und verzerrt auch das Wahlergebnis insgesamt, selbst wenn Rechtsmittel der Linkspartei am Ende erfolgreich sein sollten. Die Risiken, die in diesem Nichtzulassungsakt liegen, wiegen viel schwerer gegen einen „gerechten“ Wahlausgang als das vielfach beschworene „Risiko“ eines Erfolgs der Klage zweier Altabgeordneter gegen den Auflösungsakt des Bundestags.

Die Nichtzulassung der Linkspartei nutzt allen anderen Bewerbern, selbst der SPD und den Grünen. Warum sollte sie daher nicht dekretiert werden? Erinnern wir uns: Eine kleine Oberfinanzdirektion in Berlin hat durch einen Steuerbescheid im Jahre 1994 versucht, die PDS durch Überschuldung mit einer offensichtlich ihr nicht zuzurechnenden, gleichwohl gegen sie festgesetzten und für sofort vollziehbar erklärten Körperschaftssteuerschuld von 67 Mio. Mark an der Wahlteilnahme zu hindern. Die Nutzung administrativer Macht zum Zwecke der Wahlbeeinflussung ist bundesdeutschen Behörden also durchaus zuzutrauen. JONY EISENBERG