Schwere Zeiten für die US-Armee

An amerikanischen Schulen verstärkt sich der Widerstand gegen Anwerber des Militärs. Mit einem einfachen Formular können Jugendliche verhindern, dass ihre Daten weitergegeben werden. Doch darüber wird gar nicht oder viel zu spät informiert

AUS MINNEAPOLIS SUSANNE GIEFFERS

An Schulen in den USA wächst der Widerstand gegen Rekrutierungsversuche des Militärs. Es ist vor allem ein Gesetz, gegen das immer mehr Eltern und Schüler protestieren: der No-Child-Left-Behind-Act. Weit hinten in diesem umfangreichen und umstrittenen Gesetz von 2001, das die Qualität der Schulen verbessern soll, verbirgt sich ein brisanter Paragraf. Er besagt, dass Highschools die Daten ihrer 16- bis 18-jährigen SchülerInnen ans Militär weitergeben müssen. Tun sie das nicht, droht ihnen die Kürzung staatlicher Gelder.

Vor allem an der Westküste, aber auch im Innern des Landes wehren sich immer mehr Eltern und Schüler gegen die Weitergabe ihrer Adressen und Telefonnummern, die ihnen jede Menge Anrufe und Post von den Armee-Anwerbern bescheren. Was die Betroffenen besonders auf die Palme bringt: Laut Gesetz können sie der Schule verbieten, ihre Daten weiterzugeben. Dazu genügt ein Formular. Doch darüber seien sie gar nicht oder erst viel zu spät informiert worden, sagen viele Elterninitiativen.

So ist es auch Charley Underwood und seinem Sohn Erik in Minneapolis ergangen. Eriks Adresse und Telefonnummer wurden ans Militär weitergeleitet, ohne dass die Familie davon wusste. Es folgten Werbepost und Anrufe, teilweise mehrmals in der Woche. Was die Werber nicht wussten oder nicht wissen wollten: Erik ist wie sein Vater Pazifist und überzeugter Verweigerer. „Menschen zu töten ist kein Weg, irgendwas zu regeln“, sagt der 18-Jährige, „ich will kein Teil davon sein.“ Gemeinsam mit Freunden fing Erik an, die Nichtweitergabe-Formulare an seiner Schule zu verteilen. Mit großem Erfolg: „Dauernd kam jemand und wollte eins“, sagt Erik. Sein Vater fordert, die Schulen sollten sich über die Konsequenzen der Datenweitergabe im Klaren sein, egal wie eng ihr Budget sei: „Es macht mir wirklich zu schaffen, dass eins dieser Kinder im Irak getötet werden könnte.“

Die vielen Toten des Irakkrieges machen es den Rekrutierern schwer, Nachwuchs anzuwerben. Die US-Armee hat im Frühjahr ihre Vorgaben massiv verfehlt. Ursprünglich sollten in diesem Jahr 80.000 neue Rekruten angeworben werden, doch in den ersten fünf Monaten des Jahres lag die Armee um 8.500 unter dem Soll. In den Sommermonaten läuft das Geschäft der Anwerber besser, die mit Geld und College-Stipendien locken. Derzeit werden die Vorgaben erfüllt. Das Verteidigungsministerium hat eine private Firma beauftragt, eine Datenbank mit den Daten aller fürs Militär infrage kommenden Schüler zu erstellen – sie umfasst bis jetzt nicht nur die Namen von rund 13 Millionen 16- bis 18-Jährigen, sondern auch deren ethnische Zugehörigkeit und Notendurchschnitt.

Eine aktuelle Gallup-Umfrage hat ergeben, dass nur noch 52 Prozent der US-Amerikaner ihr Kind in seiner Entscheidung, zum Militär zu gehen, unterstützen würden – 1999 waren es noch 66 Prozent. Der Kampf um die Schüler ist nicht neu. „Das Militär versucht seit jeher, Zugang zu den Schulen zu bekommen, die Schulen versuchen seit jeher, das einzuschränken, weil es ihnen lästig ist und Arbeit macht – das ist ein alter Konflikt“, sagt Beth Ash, Militärexpertin beim unparteiischen Thinktank Rand Corporation im kalifornischen Santa Monica. „Was jedoch neu ist, ist die öffentliche Aufmerksamkeit, die dem jetzt entgegengebracht wird.“

Dass die Verweigerung zunimmt, bekommt auch Zee Gregerson von der South Highschool in Minneapolis zu spüren. Sie habe von Anfang an auf die Nichtweitergabe-Formulare hingewiesen, sagt Gregerson, aber im Moment tue sie es verstärkt. Von Jahr zu Jahr wählten mehr Eltern diese Option. Auch dass die Anwerber der Armee vermehrt Zugang begehrten, hat Gregerson bemerkt. Eine einfache Regelung an ihrer Schule aber verhindert das: Die verschiedenen Teilstreitkräfte des Militärs bekommen einmal im Monat für ein paar Stunden einen Raum zur Verfügung gestellt. Wer sich für die Anwerber interessiert, geht hin, wer nicht, der lässt es. Weiterer Kontakt auf dem Schulgelände ist den Rekrutierern untersagt.