Ukrainische Kirchen im Bruderzwist

Die griechisch-katholische Kirche will ihren Sitz nach Kiew verlegen. Das erbost die Orthodoxen, sie fürchten Konkurrenz

BERLIN taz ■ Der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko bemühte sich um versöhnliche Worte. „Wenn wir uns nach der Bibel richten und uns als Gläubige verhalten, dann lasst uns unseren Nächsten annehmen, mit seinen Gefühlen und seinem Glauben“, sagte Juschtschenko. „Nur so können wohlwollende Beziehungen mit den Bruderkirchen geschaffen werden.“

Grund der Intervention ist die Ankündigung des Oberhauptes der griechisch-katholischen Kirche, Kardinal Lubomir Husar, seinen Sitz von Lwiw nach Kiew zu verlegen. Husar will den Anspruch untermauern, nicht nur Regional-, sondern gesamtukrainische Kirche zu sein. Zudem hofft er, vom Vatikan zum Patriarchen befördert zu werden, was ihn den orthodoxen Kirchen gleichstellen würde.

Die griechisch-katholische Kirche, die rund sechs Millionen Gläubige vor allem im Westen des Landes repräsentiert, wurde 1596 durch die Brester Union begründet. Formal untersteht die Kirche dem Papst, hat aber ihre orthodoxe Liturgie und bestimmte Praktiken, wie die Priesterehe, beibehalten. Nach der Annexion der Westukraine durch die Sowjetunion 1944 wurde der Kirchenbesitz enteignet sowie tausende von Priestern, Mönchen und Nonnen verhaftet. Die Kirche ging selbst in den Untergrund. 1989 wurde sie wieder zugelassen und hat sich seitdem viele ihrer Gebäude und Liegenschaften zurückgeholt.

Die orthodoxen Brüder und Schwestern – allen voran die zahlenmäsßig bedeutendste ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchiats unter dem Metropoliten Wolodymyr – beobachten ihre katholischen Brüder und Schwestern mit Argwohn. So war in der Vergangenheit wiederholt von Missionierungsoffensiven und Zwangsbekehrungen zum katholischen Glauben die Rede. Aus Anlass des ersten Ukrainebesuchs von Papst Johannes Paul II. im Juni 2001 hatten tausende orthodoxe Priester, Nonnen und Gläubige mehrmals gegen den „Antichrist“ protestiert.

Auch die jüngsten Umzugspläne lassen in Kiew und Moskau wieder die Alarmglocken schrillen – werden die Katholiken doch verdächtigt, den Orthodoxen ihr angestammtes Terrain streitig zu machen und in fremden Revieren „wildern“ zu wollen. „Die griechisch-katholische Kirche hatte immer einen ausgesprochen regionalen Charakter. Sollte der Umzug stattfinden, würde das die Ordnung der interkirchlichen Beziehungen nicht befördern. Ich bitte Sie daher, das von ihrem Vorgänger unterzeichnete Dekret aufzuheben“, heißt es in einem offenen Brief Wolodymirs an Papst Benedikt XVI. Ein Kiewer Gruppe, die Union der orthodoxen Christen, drückte sich direkter aus: Man werde Kiew als Mutter des russischen Reichs und Neues Jerusalem verteidigen.

„Die Ukraine ist ein zu schmackhafter Bissen für Russland und die russischen Kirchenmänner, um es kampflos abzugeben“, kommentierte die Internetzeitung Ukrainska Pravda. Dennoch: Die Katholiken hätten nicht nur den Fluss Sbrutsch, sondern auch den Dnjepr überschritten. „Das heißt, sie sind bereits im Osten.“ BARBARA OERTEL