„Wahre Hools interessieren Verbote nicht“

Matthias Bettag (33), Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans (BAFF), kritisiert den gezielten Polizeieinsatz gegen BFC-Hooligans. Präventive Maßnahmen seien willkürlich und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar

taz: Herr Bettag, war der Polizeieinsatz am Wochenende überzogen?

Matthias Bettag: Zumindest habe ich von sehr empörten Augenzeugenberichten gehört. Grundsätzlich finde ich es sehr erschreckend, wenn Polizeieinsätze präventiv laufen und hinterher erst konkrete Rechtfertigungen geliefert werden. Das ist eine sehr willkürliche Methode, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren ist.

Die Polizei begründet den Einsatz mit organisierten Hooligans beim BFC Dynamo.

Der BFC hat aufgrund seiner DDR-Geschichte ein Image, das in Deutschland seinesgleichen sucht, das stimmt. Es ist auch bekannt, dass vom BFC-Block hässliche Schmährufe kommen. Davon können Fans anderer Vereine der Oberliga zur Genüge berichten. Aber ich will mich vor Pauschalurteilen hüten. Ich kenne einige BFC-Fans, die mit Gewalt nichts am Hut haben.

War der Einsatz vielleicht ein Vorgeschmack dessen, was Fußballfans bis zur WM noch häufiger erleben müssen?

Viele Fans rechnen zumindest damit. Es erscheint mir in diesem Fall, als ob die Polizei dieselbe Taktik anwendet, die sie ansonsten gegenüber Neonazigruppen fährt. Ich befürchte, dass die Sicherheitskräfte am Ende mit Kanonen auf Spatzen schießen und hunderte von Leuten festnehmen, von denen drei es auch getan hätten.

Bei solchen Einsätzen geht es aber auch um Abschreckung.

Ich sehe da schwarz, ob das so funktioniert. So sprechen die Vereine oder der DFB zum Beispiel sehr schnell Stadienverbote aus. Den wahren Hooligan interessiert ein Stadienverbot aber gar nicht, weil er gar nicht dort hingehen muss, um zu randalieren. Auf der anderen Seite sind durch ein Stadionverbot viele Leute betroffen, bei denen nicht einmal annähernd bewiesen ist, was sie Straffälliges getan haben. Gerade bei Jugendlichen, bei denen der Fußball ein ganz zentraler Lebensmittelpunkt ist, wächst der Frust, wenn sie nicht mehr dabei sein dürfen.

Wie aber sollte mit Hooligans umgegangen werden, die eindeutig auf Gewalt aus sind?

Zunächst sollte genau analysiert werden, wo es diese Hooligans überhaupt gibt. In den Profiligen ist die Anzahl an Hooligans inzwischen zu vernachlässigen. Da muss man schon in die vierte Liga gehen, um auf so „böse Jungs“ wie beim BFC zu stoßen. Und auch da handelt es sich um Zahlen, die höchstens im dreistelligen Bereich liegen. Die werden keine Massen darstellen, die der WM gefährlich werden könnten. Zudem muss man differenzieren zwischen Hooligans und Fußballfans, die vielleicht mal über die Stränge schlagen. Wenn Leute gezwungen werden, dicht gedrängt über einen zweieinhalb Meter breiten Fußweg zu laufen und sofort einen Gummiknüppel abbekommen, sobald sie mal abrutschen, ist es kein Wunder, dass sie sauer werden. Das sind aber keine Hooligans, sondern Fans, die in dem Moment nicht einsehen, warum sie unter Repressionen leiden müssen.

Und was ist mit den Hooligans, die es ja nun mal gibt?

Gruppen, die gezielt Gewalt gegen Dritte suchen, müssen notfalls polizeilich in Schach gehalten werden. Ob die Erstürmung einer Disko das Richtige ist, bei der alle Anwesenden gefesselt auf dem Boden liegen müssen, wage ich allerdings zu bezweifeln. Damit wird doch nur das Gegenteil erreicht.

INTERVIEW: FELIX LEE