Überschwemmung im Wahlkampf

Pünktlich zur Wahl rollt wieder die Flutwelle. Doch in diesem Jahr wird CSU-Gebiet überschwemmt

„Schröder als der Kümmerer:Auf CSU-Terrain kann erdiese Rolle unmöglich spielen“

BERLIN taz ■ Vor drei Jahren rannte Außenminister Joschka Fischer wahlkämpfend durch Dresden. FDP und Union lagen fünf Wochen vor der Wahl in den Umfragen neun Prozentpunkte vor SPD und Grünen. Die Nachrichtenagentur Reuters titelte ihre Analyse: „Rot-Grün gilt als aussichtslos“. Doch dann begann es zu regnen. Tassenweise anfangs, eimerweise später. Joschka Fischer musste zwar seine Tour durch Sachsens Kapitale abbrechen. Die Wähler schickten ihn aber weiterhin als deutschen Chefdiplomaten auf Welttournee. Drei Jahre später liegt Schwarz-Gelb 11 Prozent vor Rot-Grün. Und pünktlich fünf Wochen vor der Wahl rollt die Flutwelle.

Von „gigantischen Wassermassen“ sprach gestern Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU). Es drohe schlimmer zu werden als Pfingsten 1999. Damals war das Wasser in Passau auf 300-Jahre-Rekord gestiegen. Ist Indra, der vendische Gott des Regens, etwa SPD-Mitglied?

„Das glaube ich nicht“, sagt der Politologe Alfons Söllner. Diesmal wird CSU-Land überschwemmt. „Schröders Eilfertigkeit überzeugte vor drei Jahren die Wähler“, so Söllner. Schröder als der Kümmerer: „Diese Rolle kann er unmöglich auf Stoiber-Terrain spielen“, so Sollner. Außerdem habe die Union aus den Wahlkampffehlern gelernt.

Hat sie nicht, behauptet dagegen Greenpeace. Heute wie damals nämlich fehlt es der Union an Umweltkompetenz. Und heute wie damals sei die auch beim Wähler gefragt. „Hitzewellen in Südeuropa und sintflutartige, tagelange Regenfälle im Alpenraum – das entspricht genau den Szenarien des Klimawandels, die die Wissenschaftler voraussagen“, sagt Karsten Smid, Klimaexperte von Greenpeace. Auch der BUND sieht Merkels Kompetenz bei wichtigen Zukunftsthemen wie schon im Wahljahr 2002 „unterbelichtet“.

Kanzler Gerhard Schröder war gestern in Kassel auf Wahlkampftour. Es gebe keinen Grund, das Programm zu ändern, erklärte ein Regierungssprecher, man habe aber die Situation in den Hochwassergebieten stündlich im Blick. Bayerns Oberbayer Edmund Stoiber brach dagegen seinen Wahlkampf ab, um zu seinen klugen – nun aber leider abgesoffenen – Landeskindern zu reisen.

NICK REIMER