Politiker bleiben undurchsichtig

Vom „gläsernen Abgeordneten“ ist der Deutsche Bundestag trotz der gerade verabschiedeten verschärften Regelung über Nebeneinkünfte noch weit entfernt

BERLIN taz ■ Beim Geld hört vieles auf, da sind wir Deutsche prüde. Obwohl jede Affäre neue Argumente dafür liefert, dass Politiker ihre sämtlichen Einkünfte offen legen sollten, waren bisher stets die Bedenken stärker. Die letzten Affären um den vom Steuerriesen RWE bezahlten CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und von VW gesponserte SPD-Politiker führten nun dazu, dass Abgeordnete des Bundestages zumindest in groben Zügen transparent machen müssen, wie hoch ihre Nebeneinkünfte sind. Einigen geht das neue Gesetz jedoch nicht weit genug.

Bisher geben nicht einmal 2 Prozent der 601 Abgeordneten des Bundestages freiwillig auf ihren Websites an, wie hoch ihr gesamtes Einkommen ist und woher sie es beziehen. Es ist kaum zu erwarten, dass die Zahl der Offenherzigen steigt, wenn der kommende Bundestag seine Arbeit aufnimmt und die 26. Änderung des Abgeordnetengesetzes in Kraft tritt. Im Gegenteil. Viele dürften zu dem Schluss kommen, dass die Forderung nach Transparenz durch diese Neuregelung bereits erfüllt sei.

In dieser im Juli beschlossenen Änderung ist festgelegt, dass sämtliche Nebeneinkünfte dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden müssen, wenn sie 1.000 Euro im Monat oder 10.000 Euro im Jahr – zum Beispiel als einmaliges Honorar – übersteigen. Entsprechend diesen Angaben werden die Abgeordneten in drei Gruppen eingeteilt, je nachdem, ob sie weniger als 3.500 Euro, bis zu 7.000 Euro oder mehr als 7.000 Euro im Jahr dazuverdienen. Nur die Zugehörigkeit zu einer der drei Gruppen wird dann veröffentlicht, nicht das Einkommen selbst.

Der SPD-Abgeordnete Florian Pronold zum Beispiel ist der Meinung, dass das nicht genügt. Drei Stufen seien zu wenig, um beurteilen zu können, wie viel sich jemand durch Berateraufträge oder Vorträge dazuverdiene. Das Gesetz sei jedoch ein Schritt in die richtige Richtung: „Es macht die Abgeordneten zumindest transparenter“, so Pronold.

Wirklich transparent macht es sie nicht. Zum Beispiel wird auch in Zukunft nicht ersichtlich, von wem welche Beträge kommen. Eine Zuordnung zu den einzelnen – schon länger meldepflichtigen – Nebenjobs erfolgt nicht. Zudem besteht nach Ansicht der Organisation Transparency Deutschland die Gefahr, dass Beraterhonorare gestückelt werden, um unter der Anzeigegrenze von 1.000 Euro zu bleiben. Dass dies nicht abwegig ist, haben diverse Parteispenden-Affären gezeigt. Auch Schulden, die ebenfalls Grund für Abhängigkeit sein können, müssen nicht angegeben werden.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Anna Lührmann hält ihr System daher für transparenter. „Ich würde jedem raten, die Steuererklärung zu veröffentlichen, weil das alles offen legt“, sagte sie. Lührmann veröffentlicht als Einzige jedes Jahr eine vollständige Kopie ihres Steuerbescheides. Auch dadurch wird nicht die genaue Quelle einer Einnahme ersichtlich, jedoch deren Höhe. Andere Abgeordnete wollen so weit nicht gehen, stellen aber, wie der SPD-Mann Christian Lange, bei dem sogar die abonnierten Zeitungen aufgeführt sind, detaillierte Listen mit Einnahmen und Ausgaben auf ihre Homepage. „Ich bin mit der Regelung sehr zufrieden“, sagt Lange. „Das ist das Maximum dessen, was rechtlich möglich war.“

Zumindest ist es das Maximum dessen, was im Parlament konsensfähig war. Auffälligerweise ist unter denen, die bereit sind, ihre Einkünfte offen zu legen, niemand, der nennenswerte Nebeneinkünfte hat. Abgeordnete wie zum Beispiel Joachim Pfeiffer von der CDU, der in drei Aufsichtsräten und einem Advisory Board von Unternehmen sitzt, sind dagegen erklärte Gegner solcher Veröffentlichungen. Die Argumente sind immer die gleichen: Kein Selbständiger oder Unternehmer habe Lust, Abgeordneter zu werden, wenn damit zwangsläufig jedem seiner Konkurrenten seine finanzielle Situation klar werde.

In Skandinavien kennt man solche Bedenken nicht. In Schweden und Finnland werden die kompletten Steuererklärungen aller Bürger jedes Jahr in für einzelne Städte und Regionen erhältlichen Büchern veröffentlicht. Dort hat diese Praxis sogar zu mehr Steuerehrlichkeit geführt. KAI BIERMANN