Mit dem Rad in die Ausstellung

Die Münsteraner „Skulpt(o)ur“ ist eine Stadtführung der besonderen Art: Zu Fuß oder mit dem Fahrrad lernen die Besucher moderne Plastiken und Skulpturen kennen, die in der ganzen Stadt verteilt sind. Die Resonanz ist positiv, die Nachfrage steigt

VON MAREN MEIßNER

Mit dem Fahrrad zur modernen Kunst radeln: In Münster gehört das zu den Angeboten für kunstbegeisterte Touristen. Fünf verschiedene Routen sind in einer Info-Broschüre der Stadt aufgeführt, auf denen Besucher alleine oder auf geführten Touren moderne Kunst erkunden können. Die Investition in einen sachkundigen Stadtführer lohnt sich - oft fallen die Objekte zunächst gar nicht auf.

Seit 1977 gibt es in Münster die Ausstellungsreihe „Skulptur.Projekte“. Die Plastiken, Installationen und Skulpturen werden nicht in einer Ausstellungshalle präsentiert, sondern an verschiedenen Orten in der Stadt. „Die Künstler bekommen für ihre Objekte keine Vorgaben“, sagt Hannelore Bernard, seit 1983 Stadtführerin, „nur mit der Stadt müssen sie etwas zu tun haben“. Hierdurch erkläre sich auch der große Erfolg der „Skulptur.Projekte“: Die Möglichkeit, fast komplett nach eigenen Ideen und Vorstellungen zu arbeiten, reizt viele. Während im ersten Ausstellungsjahr 1977 nur 10 Plastiken aufgebaut wurden, nahmen 1987 fast 60 Künstler, 1997 bereits 70 Künstler teil, darunter so bekannte Namen wie Georg Rückriem, Eduardo Chillida und Henry Moore. Nach den erfolgreichenAusstellungen entschieden sich die Stadt Münster, die Universität und ortsansässige Firmen, einige der präsentierten Objekte anzukaufen – bis jetzt über 50.

Diese Dauerausstellung zeigt Stadtführerin Hannelore Bernard ihren Kunden. In diesem Jahr sind es besonders viele: „Ich weiß nicht, woran das steigende Interesse liegt, aber es freut mich“, sagt die Münsteranerin. Für 66 Euro führt sie eine bis zu 15 Personen große Gruppe zwei Stunden mit dem Fahrrad durch die Kunstlandschaft Münsters – Anekdoten und viel Hintergrundwissen inbegriffen. Die Rentnerin, die bereits seit über 20 Jahren als Stadtführerin arbeitet, ist selbst begeisterte Künstlerin: Sie malt und interessiert sich schon seit Jahren für moderne Kunst. Wer zu ihren „Skulpt(o)uren“ kein eigenes Rad mitbringen kann, kann sich für sechs Euro eins leihen.

Die Route beginnt am Rathaus auf dem Prinzipalmarkt, der nach dem Krieg vollständig rekonstruierten Flaniermeile Münsters. Gleich im Innenhof des Rathauses steht das erste Objekt – „Toleranz durch Dialog“ des spanischen Künstlers Eduardo Chillida. Zwei sich gegenüberstehende Bänke sollen die Verhandlungen der verfeindeten Parteien während des Westfälischen Friedens symbolisieren, der vor 350 Jahren im Friedenssaal des Rathauses ausgehandelt wurde.

Weiter in Richtung Dom. An einem Haus hat der Künstler Mark Formanek ein weißes Blechschild mit der Aufschrift „24. März 2008, 17 Uhr“ angebracht. „An diesem Datum soll sich etwas Besonderes ereignen“, erklärt Bernard. Formanek wolle so die Privatssphäre der Münsteraner, die mit dem Datum vielleicht etwas Persönliches verbinden, wie einen Geburtstag oder ein anderes besonderes Ereignis, mit der Anonymität der Öffentlichkeit verknüpfen. Tatsächlich passiert an dem auf dem Schild markierten Datum jedes Mal dasselbe: Ein Mitarbeiter der Stadt steigt auf eine Leiter und tauscht es gegen ein neues Schild aus.

Weiter führt Hannelore Bernards Route in Richtung Aasee. Auf dem Weg hält sie beim „Study Garden“ an. Im Innenhof des Geologisch-Paläontologischen Museums befinden sich grüne Holzbänke und Tische, die Künstler Siah Armajani als „Kunst im öffentlichen Raum“ sieht. Lebendig werde diese Installation erst durch die Integration in den Alltag der Menschen.

Vorbei am Aegidimarkt geht es jetzt direkt auf den Aasee zu. Schon von weitem fallen die „Giant Pool Balls“ auf, drei riesige weiße Kugeln, die am Ufer des Sees stehen. „Eigentlich wollte Claes Oldenburg 16 Kugeln, also ein ganzes Billardspiel, in der Stadt aufbauen, aber das ließ sich nicht realisieren“, erklärt Bernard. So blieb es bei drei Kugeln mit einem Durchmesser von je dreineinhalb Metern.

Je nach Interesse der jeweiligen Gruppe kann Bernards Tour über mehrere Stunden bis in Münsteraner Umland ausgedehnt werden oder sich auf die Objekte in der Innenstadt beschränken. „Die Resonanz auf unsere Führungen ist positiv“, freut sich Bernard. Gemeinsam mit vier Kollegen und Kolleginnen bietet sie im Rahmen der Münster-Stadtführungen die „Skulpt(o)ur“ an. Zu ihren Kunden gehören vorwiegend Erwachsene, die sich auch vorher schon für Kunst begeistern konnten. „Es ist schade, dass keine Schulklassen kommen“, sagt sie. Auch für Kinder seien viele der Plastiken und Installation durchaus spannend.

Infos: 0251 / 4922770, www.marketing.muenster.de, tourismus@stadt-muenster.de