Richter murrt über Opferrechte

Prozess um sexualisierte Gewalt gegen Kinder begann mit Pannen vor dem Landgericht. Onkel soll seine beiden Nichten mit Gewalt zu sexuellen Handlungen gezwungen haben

Am nächsten Verhandlungstag wird Michael P. zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Das hat der 40-jährige Gärtner zumindest angekündigt. Seit gestern muss er sich wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Hamburger Landgericht verantworten. Der Prozess musste nach Verlesung der Anklage nach nur 30 Minuten unterbrochen werden, da wegen Personalmangels in der Ausführabteilung des Untersuchungsgefängnisses die Anwesenheit des Angeklagten nicht länger gewährleistet werden konnte.

Laut Anklage hat P. bei seiner Nichte Monika ab ihrem siebten Lebensjahr zwischen 1992 und 1998 sechs Mal mit Gewalt sexuelle Handlungen vorgenommen. Ihre jüngere Schwester Anna (beide Namen geändert) soll er ab ihrem zehnten Lebensjahr 1998 sowie erneut im Jahr 2000 zwei Mal zu sexuellen Handlungen gezwungen haben oder dazu, diese an ihm vorzunehmen. Die jungen Frauen (heute 20 und 17) treten im Verfahren als Nebenklägerinnen auf. P. war aufgrund ihrer Aussagen im März diesen Jahres verhaftet worden.

Dass die beiden Frauen ihr prozessuales Recht der Nebenklage voll ausschöpfen, löste bei Richter Rüdiger Göbel offenkundig Unbehagen aus. „Ich kann es zwar nicht verhindern, dass sie von Anfang an dem Prozess beiwohnen“, ermahnte er, „ich mache aber keinen Hehl daraus, dass ich es ungünstig finde.“ Göbel forderte die beiden auf, der Einlassung des Angeklagten am Montag fernzubleiben. Auch ihre jeweiligen Aussagen sollten sie nicht gegenseitig anhören.

Zudem ermahnte er sie vollkommen grundlos, nicht auf die Idee zu kommen, mit bauchfreien Tops, sondern aus Respekt vor dem Gericht „in angemessener Kleidung“ zu erscheinen.

Die beiden Schwestern brachen nach dieser unsensiblen Anmache sichtlich betroffen in Tränen aus. KAI VON APPEN