RUSSLAND UND CHINA VERBINDET NICHT MEHR ALS EIN ZWECKBÜNDNIS
: Durchsichtiges Manöver

Zehntausend Soldaten aus China und Russland üben eine Woche lang gemeinsam den Krieg. Das bisher größte Manöver in der Geschichte beider Länder zeigt, wie sehr sich das Verhältnis der alten Rivalen verbessert hat. Heute existiert zwischen ihnen eine „strategisch kooperative Partnerschaft“.

Die Partnerschaft ist ein Zweckbündnis. Peking und Moskau eint die Furcht vor Unabhängigkeitsbewegungen unter ihren muslimischen Minderheiten – von der chinesischen Region Xinjiang bis nach Tschetschenien. Beide haben die USA im Visier, die ihnen als einzige Supermacht zu stark scheint. Die US-Militärstützpunkte in Usbekistan und Kirgisien, die nach den Anschlägen von New York 2001 errichtet wurden, sollen schnell wieder verschwinden. Russland und China möchten nicht nur Energiequellen und andere wichtige Rohstoffe der Region kontrollieren.

Der Albtraum des Russen Putin und des Chinesen: Der Amerikaner Bush wird nicht ruhen, bis er die Demokratie in alle Ecken der Welt getragen hat. Für Russland bietet das Manöver außerdem die Chance, sein Kriegsgerät vorzuführen. Schon jetzt ist China der größte Kunde seiner Rüstungsfabriken – und wichtiger Devisenbringer. Doch es ist abzusehen, dass die Europäer ihr nach dem Tiananmen-Massaker verhängtes Waffenembargo aufheben werden. Die Russen werden versuchen, den Chinesen bis dahin so viele Waffen wie möglich zu verkaufen. Peking wiederum will mit dem Manöver zeigen, dass seine Kriegsmarine und Luftwaffe zumindest mit der russischen Armee ebenbürtig sind. Die Botschaft richtet sich nicht nur an die USA, sondern auch an Taiwan, dessen Unabhängigkeit notfalls mit Gewalt verhindert werden soll.

Trotzdem: Die beiden Länder könnten unterschiedlicher nicht sein. Beide gehen politisch und wirtschaftlich getrennte Wege. Nach wie vor ist der Handel zwischen den beiden Giganten bescheiden: 20 Milliarden Dollar im Jahr 2004, ein Bruchteil im Vergleich zum Warenaustausch Chinas mit Japan oder den USA. Zudem kommt es immer wieder zu Konflikten. Von einer Allianz zwischen Peking und Moskau kann keine Rede sein. JUTTA LIETSCH