Der Ring als Bühne

Mit Eleganz und Schlagkraft: In dem Sportler-Biopic „Beautiful Boxer“ erzählt Ekachai Uekrongtham von einem transsexuellen Thaiboxer

VON EKKEHARD KNÖRER

Ein junger Mann wird Thaiboxer, um sich seine Geschlechtsumwandlung leisten zu können. Er hat Talent und Erfolg und gewinnt Kampf um Kampf. Er heißt Parinya Charoenphol, nennt sich Nong Toom – und outet sich als Mann, der eine Frau sein will. Diese Geschichte erzählt „Beautiful Boxer“, und sie ist so unglaublich, dass man sich schon denken kann: Sie ist wahr, sie hat sich im Wesentlichen so ereignet, wie der Film sie erzählt. Es ist ungefähr so, als tänzelte Wladimir Klitschko ab sofort mit Make-Up durch den Ring. Tatsächlich ist der hervorragende Hauptdarsteller Asanee Suwan selbst einer der erfolgreichsten Muay-Thai-Boxer und bekam vor der Übernahme der Rolle erst einmal ein Jahr Schauspiel- sowie Ballettunterricht.

Der geschminkte Boxer Nong Toom wird gerade durch sein Outing zur Attraktion. Das ist keine Sache der Toleranz oder gar Akzeptanz, ganz im Gegenteil. Nong Toom wird verlacht. Die Vorurteile aber boxt und kickt er in Grund und Boden. Der Film folgt ihm dabei mit Vergnügen. Sein Regisseur Ekachai Uekrongtham ist sichtlich entschlossen, kein Problemdrama zu drehen, das verdeutlicht der erste tatkräftige Auftritt seines Helden (bzw. seiner Heldin) ebenso wie der rasche Schnitt, der das Tempo nicht nur während der Kampfszenen bestimmt. Der Film blendet Schwierigkeiten nicht aus, aber er verweilt nie bei ihnen, sondern tänzelt so elegant wie schlagkräftig durch die Kindheit und Jugend seines Helden.

„Beautiful Boxer“ ist ein Sportler-Biopic als Erfolgsgeschichte, als Parcours mit Hindernissen, die sich in ein, zwei Einstellungen, mit einem Kick, einer Drehung, einem Schlag überwinden lassen. Der Regisseur hat Erfahrung als Produzent von Musicals, das ist seinem Filmdebüt anzusehen. Die Bilder haben stets eine gelackte, etwas unwirkliche Schönheit. Das Abendlicht auf dem Land ist eine Etüde in Grün und Orange. Der Kitsch aber verwandelt sich im lustvollen Queeren des Männersports in durchaus transgressiven Glamour. Uekrongtham folgt der üblichen Boxer-Story vom Underdog, der es im Ring allen zeigt. Als „Beautiful Boxer“ durchkreuzt Nong Toom dann jedoch umso wirkungsvoller gleich zwei Klischees: die vom Boxer als harten wie die vom Transsexuellen als effeminierten Mann. Er modelliert seine Kämpfe zu Auftritten, imitiert die stilisierten Darstellungen der traditionellen thailändischen Likay-Oper, die er schon als Kind bewundert hat. Geschlecht erweist sich als Sache von Verkleidung, Performance und Übernahme, Verweigerung oder Umdeutung einer Rolle. Der Ring ist eine Bühne, und Nong Toom eignet sie sich selbstbewusst an.

Der Film schielt in mancher Hinsicht in Richtung eines westlichen Mainstream-Publikums. Zielsicher rahmt er die Lebensgeschichte Nong Tooms durch die Interview-Session mit einem amerikanischen Reporter. Als Erzählerin ihrer Lebensgeschichte spricht Nong Toom in diesen Passagen Englisch. Auf westlichen Festivals wurde der Film denn auch vielfach ausgezeichnet, bei den Thai Film Awards gab es dagegen nur Preise für den Hauptdarsteller und das beste Make-Up. Kommerziell war „Beautiful Boxer“ in Thailand kein Erfolg. Viel Vertrauen scheint der deutsche Verleih in seinen Film leider auch nicht zu haben. Der so genannte digitale Kinostart bedeutet nichts anderes, als dass es sich um DVD-Projektionen per Beamer handelt. Bei der Pressevorführung war das Ergebnis von der technischen Qualität her alles andere als überzeugend.

„Beautiful Boxer“, Regie: Ekachai Uekrongtham. Mit Asanee Suwan, Kyoko Inoue u. a., Thailand 2003, 118 Min.